Freitag, Oktober 31, 2025

DER SPIEGEL zur sexuellen Gewalt: "Männer gleich Täter, Frauen gleich Opfer? Diese einfache Formel ist falsch"

1. In der aktuellen SPIEGEL-Ausgabe und auf Spiegel-Online stellt die Professorin für Sozialpsychologie Barbara Krahé fest: "Auch zahlreiche Männer werden Opfer sexueller Gewalt. Nur wenn die Gesellschaft dies anerkennt, lässt sich das Problem umfassend angehen." Wie immer bei solchen Beiträgen, die den Konsens der Leitmedien hinterfragen, handelt es sich um einen Gastbeitrag (also gerade nicht von einem Journalisten), wie immer wird übergangen, dass die Männerrechtsbewegung seit Jahrzehnten auf die bisherige Fehlwahrnehmung hinweist.

Der Beitrag von Professorin Krahé referiert im wesentlichen Inhalte, auf die ich unter anderem in meinem Buch Sexuelle Gewalt gegen Männer bereits dargelegt habe. Schön, dass davon jetzt eine größere Zahl von Menschen erreicht wird:

Beim Thema sexuelle Gewalt entsteht im Kopf gemeinhin sofort das Bild eines weiblichen Opfers und eines männlichen Täters. Das ist verständlich, denn die meisten sexuellen Übergriffe entsprechen diesem Bild. Die Kriminalstatistik weist regelmäßig aus, dass die überwiegende Zahl der angezeigten Fälle sexueller Gewalt ein weibliches Opfer und einen männlichen Tatverdächtigen betreffen. Doch darf das nicht den Blick dafür verstellen, dass auch Männer sexuelle Gewalterfahrungen machen, und zwar sowohl durch andere Männer als auch durch Frauen. Diese Tatsache ist nur wenig bekannt und kaum im öffentlichen Bewusstsein verankert. Die Erfahrungen von Männern, die Opfer von sexueller Gewalt wurden, werden nur selten gesehen und ernst genommen. Die betroffenen Männer haben selbst oft Schwierigkeiten, sich als Opfer zu sehen und anzuerkennen, weil das dem Selbstbild männlicher Stärke und Autonomie widerspricht.

Dass männliche Jugendliche und Erwachsene nicht nur als Täter, sondern auch als Opfer sexueller Gewalt in Erscheinung treten, ist eine wichtige Erkenntnis, um der vereinfachenden Formel "Mann gleich Täter, Frau gleich Opfer" entgegenzuwirken. Männer können Opfer sein und Frauen Täterinnen. Sie sind es bei häuslicher Gewalt und bei sexueller Gewalt gegen Männer häufiger, als es den allgemeinen Vorstellungen entspricht. Diese Tatsache anzuerkennen, ist nötig, um das Problem sexueller Gewalt grundsätzlich angehen zu können.

Das deutsche Strafrecht hat sich lange schwergetan, Männer als Opfer sexueller Gewalt wahrzunehmen. Erst mit der Einführung der Vergewaltigung in der Ehe als Straftatbestand wurde 1997 die Begrenzung auf weibliche Opfer von Vergewaltigung und sexueller Nötigung aufgehoben. Die Reform des Sexualstrafrechts von 2016 führte zur Anerkennung von Opfererfahrungen unabhängig von Geschlecht und Beziehungsstatus.

Die Fachwelt diskutierte intensiv darüber, ob es legitim sei, über Männer als Opfer sexueller Gewalt zu forschen. Dahinter stand die Befürchtung, damit relativiere man die männliche Gewalt gegen Frauen. Aus diesem Grund Forschungsfragen zu tabuisieren, ist jedoch nicht hilfreich. Sexuelle Gewalt gegen Frauen wird dadurch nicht weniger gravierend, dass auch Männer Gewalt erfahren. Mittlerweile ist es in der Wissenschaft – anders als in der Gesamtgesellschaft – allgemein akzeptiert, dass Männer Opfer sexueller Übergriffe von Frauen ebenso wie von anderen Männern sein können. Zahlreiche Studien haben zudem gezeigt, dass Opfererfahrungen mit einer Vielzahl negativer Folgen für die körperliche und seelische Gesundheit von Männern verbunden sind.

Aber wie verbreitet ist sexuelle Gewalt gegen Männer? Es ist schwierig, exakte Zahlen zu benennen, doch es gibt genügend Anhaltspunkte dafür, dass es sich um ein reales Problem handelt. Die jährlich veröffentlichte Kriminalstatistik, die auf den strafrechtlichen Definitionen basiert, ist eine Quelle. Für das Jahr 2024 zeigen die nach Geschlecht aufgeschlüsselten Zahlen, dass von 13.485 erfassten Fällen versuchter oder vollendeter Vergewaltigung, sexueller Nötigung und sexueller Übergriffe im besonders schweren Fall (§§ 177, 178 StGB) 844 Fälle männliche Opfer betrafen. Das entspricht einer Quote von 6,3 Prozent. Allerdings ist von einer hohen Dunkelziffer auszugehen. Die Anzeigebereitschaft bei sexueller Gewalt ist insgesamt sehr niedrig, und bei Männern ist sie noch einmal geringer als bei Frauen.

Die Gründe für diese geringe Anzeigenbereitschaft sind vielfältig: Opfer realisieren nicht, dass das, was sie erlebt haben, ein sexueller Übergriff war. Sie fürchten, dass man ihnen nicht glaubt oder ihnen eine Mitschuld an dem Geschehen gibt, oder sie empfinden Scham, sich nicht effektiv gewehrt zu haben. Gerade der letztgenannte Punkt spielt bei Männern oft eine große Rolle. Daher bildet die polizeiliche Kriminalstatistik nach Einschätzung von Expertinnen und Experten insgesamt, aber vor allem bei Männern, nur die untere Grenze der Verbreitung sexueller Gewalt ab. Außerdem sind die Zahlen nicht nach dem Geschlecht der Täter oder Täterinnen aufgeschlüsselt, sodass offen bleibt, wie hoch der Anteil von Männern ist, die durch eine Frau oder einen anderen Mann sexuelle Gewalt erlebt haben.

(…) Damit verbunden ist der gängige Mythos, dass Männer gar nicht von Frauen vergewaltigt werden können. Dabei kann ein Mann physisch erregt werden, ohne dass er psychisch angeregt ist. Männliche Opfer haben diese Vorstellungen oft selbst verinnerlicht und daher Schwierigkeiten, ihre Erfahrungen als sexuelle Übergriffe einzuordnen.

Wie hoch der Anteil der Betroffenen ist, die ihre Opfererfahrung selbst nicht als solche wahrnehmen, zeigt sich in der Diskrepanz zwischen Antworten auf die Frage: "Sind Sie schon einmal Opfer eines sexuellen Übergriffs geworden" und den Antworten auf die Frage nach spezifischen Übergriffen, zum Beispiel: "Sind Sie schon einmal unter Androhung oder Einsatz von Gewalt gegen Ihren Willen zu sexuellen Handlungen gebracht worden?". In unserer Studie aus dem Jahr 2022 beantworteten 75 Prozent der Männer, die die allgemeine Frage nach sexuellen Opfererfahrungen verneint hatten, mindestens eine der spezifischen Fragen mit Ja. Sie hatten also sexuelle Gewalt erlebt, sahen sich aber nicht als Opfer. Bei den Frauen lag der entsprechende Anteil bei 60 Prozent. Diese Ergebnisse zeigen, dass es vielen Betroffenen, insbesondere Männern, schwerfällt, sexuelle Opfererfahrungen als solche anzuerkennen.

Außerdem ist männlichen Opfern sexueller Gewalt bewusst, dass die genannten Stereotypen in den Köpfen vieler Menschen anzutreffen sind, denen sie von ihren Erfahrungen berichten könnten, nicht nur bei institutionellen Ansprechpersonen, sondern auch im privaten Umfeld. So fällt es männlichen Opfern sexueller Gewalt schwer, soziale Unterstützung und Hilfe zu suchen, und sie bleiben vielfach mit ihrem Leid auf sich allein gestellt.

Die Hürden, sich als Mann in der Opferrolle zu sehen, noch dazu im Bereich der Sexualität und womöglich durch eine Frau, sind hoch, und Ängste vor negativen Reaktionen der sozialen Umwelt sind nicht unbegründet. Hier brauchen wir einen Bewusstseinswandel. Der gesellschaftliche Diskurs darf sich dem Problem sexueller Gewalt gegen Männer nicht verschließen, damit alle Opfer sexueller Gewalt Mitgefühl und Unterstützung erfahren, unabhängig von Geschlecht und sexueller Orientierung.

Jenseits der Verpflichtung gegenüber den Betroffenen ist eine stärkere Beachtung sexueller Gewalt gegen Männer auch unter gesellschaftlichen Aspekten notwendig. In der Auseinandersetzung mit sexuellem Missbrauch in der Kindheit, insbesondere im institutionellen Kontext, sind Jungen als Opfer mittlerweile im Bewusstsein der Öffentlichkeit präsent. Das Gleiche muss auch für Männer erreicht werden.


Es ist bemerkenswert, dass Leitmedien wie DER SPIEGEL all diese wichtigen Aspekte plötzlich wahrnimmt, sobald sie von einer Frau geäußert werden. Ohne das ständige Trommeln von uns Männerrechtlern gäbe es aber vielleicht nicht einmal diesen Beitrag; das muss reichen.



2. Gesundheitsministerin Nina Warken (CDU) zufolge fühlen sich Frauen im öffentlichen Raum oft nicht sicher. "Es ist so, dass junge und auch ältere Frauen sich im öffentlichen Raum oft unsicher fühlen und bestimmte Plätze und Wege meiden und Pfefferspray dabeihaben", erklärte die Ministerin.

Damit hat die "Stadtbild"-Debatte ein neues Ausmaß sexistischer Absurdität erreicht. Die deutsche Kriminalstatistik zeigt, dass Männer deutlich häufiger Opfer von Gewalt im öffentlichen Raum sind als Frauen. Laut den aktuellen Daten des Bundeskriminalamts (BKA) und der Opferberatungsstellen ist die Mehrheit der Opfer von Gewalt- und Körperverbrechen männlich. Besonders bei Straftaten wie Körperverletzung, Messerattacken und Gewaltkriminalität ist die Opferzahl der Männer deutlich höher. Frauen sind zwar ebenfalls Opfer von Gewalt, doch die männlichen Opfer überwiegen in absoluten Zahlen erheblich. (Siehe als Belegquellen etwa hier, hier und hier.

Nun könnte die Ministerin einwenden, sie habe ja gar nicht von den tatsächlichen Opferzahlen gesprochen, sondern lediglich vom "Gefühl" der Frauen. Sie "fühlten" sich im öffentlichen Raum nun mal viel unsicherer als Männer, und deshalb müsse man sich auf sie konzentrieren.

Allerdings wäre auch das gelogen. Das ZDF-Politbarometer stellte bereits vergangene Woche fest:

33 Prozent der Deutschen fühlen sich an öffentlichen Orten und Plätzen unsicher, 66 Prozent aber sicher. Zwischen Männern und Frauen gibt es dabei so gut wie keine Unterschiede.


Generell ist die Angst vor solchen Formen der Gewaltkriminalität überspitzt, erklärt die Direktorin des Kriminalwissenschaftlichen Instituts an der Leibniz Universität Hannover Professor Dr. Susanne Beck, die damit Friedrich Merz Geraune von wegen "fragen Sie Ihre Töchter" einordnet:

Erst einmal muss man jede Angst grundsätzlich ernst nehmen. Aber die Frage, ob die Angst tatsächlich faktenbasiert ist - das kann man hier eher verneinen. Grundsätzlich leben wir in Deutschland in einem der sichersten Länder der Welt. Die Kriminalität ist mit Blick auf das letzte Jahrzehnt gesunken. Es gab einen leichten Anstieg nach der Corona-Zeit. Da muss man schauen, woran das im Einzelnen liegt. Aber tendenziell muss man sagen, dass die Angst nicht auf Fakten basiert, wie sich auch in Statistiken zeigt. Studien auf Makroebene zeigen zudem, dass es keinen Zusammenhang zwischen Migration und Kriminalität gibt.


Ein kurzer Beitrag des Blogs Apokolokynthose bringt die Absurdität der Debatte auf den Punkt.



3. Das Landgericht Hamburg untersagt Shelby Lynn zu behaupten, dass bei einem Rammstein-Konzert in Vilnius im Jahr 2023 ihr Getränk anlässlich einer von der Band organisierten Party mit Drogen versetzt wurde. Zwei Jahre nachdem etliche Medienbeiträge so getan haben, als wäre an diesem Vorwurf mit Sicherheit etwas dran. Genderama wünscht der Kanzlei, die gegen diese Berichte juristisch vorgeht, weiterhin viel Erfolg.



Donnerstag, Oktober 30, 2025

Tagesschau und verschiedene Zeitungen: Es fehlt an Hilfe für männliche Opfer häuslicher Gewalt

1. Die Tagesschau berichtet, dass immer mehr männliche Opfer häuslicher Gewalt Hilfseinrichtungen aufsuchen und die Bundesfach- und Koordinationsstelle Männergewaltschutz das bestehende Angebot für unzureichend hält.

(Dass Männerrechtler seit Jahrzehnten eine Verbesserung eben dieses Angebots fordern wird selbstverständlich nicht erwähnt; das würde auch die für uns vorgesehene Rolle der Bösen in der Geschlechterdebatte unterminieren.)

Ebenfalls sehr ausführlich widmet sich die Presse diesem Problem. Einer meiner Leser hat mir einen Artikel von Mia Bucher zugesandt, "Wenn Frauen zuschlagen", der in den Erlanger Nachrichten veröffentlicht wurde. Derselbe Artikel findet sich in meiner eigenen Lokalzeitung, dem Wiesbadener Kurier, und in vielen anderen Zeitungen, darunter der "Zeit". Deutschland wurde also fast schon flächendeckend entsprechend informiert:

Aufgrund von stereotypen Rollenbildern mag seine Geschichte viele Menschen überraschen, sagt Rene Pickhardt. Denn Pickhardt hat eigenen Angaben zufolge emotionale, körperliche und sexualisierte Gewalt von einer Frau erfahren, seiner ExPartnerin. Das war vor etwa zehn Jahren. ,.Die Folgen der Gewalt waren für mein Leben natürlich gravierend", sagt der 40-Jährige, der heute für die Bundesfach- und Koordinierungsstelle Männergewaltschutz (BFKM) von seinen Erfahrungen berichtet, um auf das Thema aufmerksam zu machen.

Staatlich finanzierte Gewaltschutzeinrichtungen gab es damals noch nicht. ,,Dadurch habe ich mich im Stich gelassen gefühlt und war auch sehr verzweifelt." Der Fall Pickhardt steht beispielhaft für ein Thema, das aus Sicht des Vereins lange übersehen wurde: männliche Betroffene von häuslicher Gewalt. Während der Mathematiker damals kaum Anlaufstellen fand, wächst inzwischen das Netz an Hilfsangeboten. Aktuell gibt es in Deutschland 17 staatlich finanzierte Gewaltschutzeinrichtungen für Männer. Immer mehr Männer suchen dort nach Hilfe, wie die Nutzungsstatistik für Männerschutzeinrichtungen für das Jahr 2024 zeigt, die die BFKM in Berlin vorgestellt hat.

751 Männer haben sich demnach im Jahr 2024 bei einer solchen Einrichtung gemeldet. Das sind rund 41 Prozent mehr als im Jahr 2023 mit 533 Hilfesuchenden. Vor allem Frauen seien von häuslicher Gewalt betroffen, sagt BFKM-Sprecherin Annalena Schmidt, aber eben auch ein „nicht zu unterschätzender Teil männlicher Personen." Laut dem Lagebild zur häuslichen Gewalt des Bundeskriminalamts (BKA) waren rund 70 Prozent der Betroffenen weiblich und gut 30 Prozent männlich. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus - bei allen Betroffenengruppen.

Rene Pickhardt, der selbst Gewalt in einer Beziehung erlebt hat, schreibt seit Ende 2015 in seinem Blog über häusliche Gewalt. Von den 751 Hilfesuchenden fanden aber nur 126 Männer Schutz in einer Einrichtung. 256 Schutzsuchende mussten wegen Platzmangels abgelehnt werden. 134 nutzten ausschließlich das Beratungsangebot. Die übrigen Männer konnten oder wollten nach der ersten Kontaktaufnahme keine weiteren Angebote in Anspruch nehmen.

In den Einrichtungen ging es in sieben von zehn Fällen um Partnerschaftsgewalt. Rund ein Viertel der Bewohner hat Gewalt innerhalb der Familie erfahren. In rund sechs Prozent der Fälle ging es um Gewalt ausgehend vom sogenannten weiteren sozialen Nahraum, also etwa durch Mitbewohner, Nachbarn oder Freunde.

In zwei Drittel aller Fälle wurde die Gewalt demnach von Frauen ausgeübt. Der jüngste Bewohner der Schutzeinrichtungen war 18 Jahre alt, der älteste 82. Die Mehrheit der 126 Männer gab an, mehr als eine Gewaltform erlebt zu haben. Ein Großteil (rund 88 Prozent) hat psychische Gewalt erlebt. Rund 71 Prozent berichten von körperlicher Gewalt, etwa acht Prozent von sexualisierter Gewalt.

(…) Das Angebot reiche aber nicht, sagt die BFKM-Sprecherin Schmidt. "Männer brauchen mehr Anlaufstellen in Deutschland", fordert sie. Jeder Mensch dürfe und sollte sich Hilfe suchen können und verdiene Schutz.

Der Bundesrat hat Anfang des Jahres dem Gewalthilfegesetz zugestimmt, das Frauen und ihren Kindern einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung gewährt. Länder werden damit künftig dazu verpflichtet, ausreichend Schutz- und Beratungsangebote zu schaffen - bislang nur für Frauen.

Rene Pickhardt und die BFKM kritisieren das. ,Wir dürfen die Männer nicht vergessen", sagt Pickhardt. ,,Ich weiß, dass ich kein Einzelfall bin und deswegen ist es so wichtig, dass es flächendeckende Hilfsangebote und Opferschutz für alle Betroffenen, unabhängig von ihrem Geschlecht, gibt", sagt der 40-Jährige. Gemeinsam mit der BFKM fordert er, dass das Gesetz geschlechtsneutral formuliert.

Einen kleinen Erfolg hat Pickhardt durch sein Engagement bereits erzielt. Auf sein Wirken hin hat die Polizei Rheinland-Pfalz vor einigen Jahren einen Hinweis für Gewaltbetroffene auf ihrer Website angepasst. Aus "Täter" wurde "die Gewalt ausübende Person". Und anstatt nur auf Frauenhäuser weist die Polizei seitdem auch auf Gewaltschutzeinrichtungen für Männer hin.




2. Die Bundesregierung will die Rechte leiblicher Väter stärken:

Die Bundesregierung will die rechtliche Anerkennung leiblicher Vaterschaften erleichtern. Das sieht ein Gesetzentwurf von Bundesjustizministerin Stefanie Hubig vor, den das Kabinett beschlossen hat. Wie die SPD-Ministerin zuvor erklärt hatte, sollen künftig die Interessen aller Betroffenen berücksichtigt werden.

Die geplante Änderung geht auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts aus dem April vergangenen Jahres zurück. Demnach verletze die aktuelle Gesetzeslage die Grundrechte leiblicher Väter. Sie müssten Anspruch auf ein effektives Verfahren erhalten, um ihre rechtliche Vaterschaft geltend zu machen, sofern dies dem Kindeswohl nicht entgegensteht.


Hier geht es weiter.



3. Die "taz" widmet sich der Einsamkeit von Männern in der Großstadt. Ein Auszug:

Rollenbilder werden zum Brandbeschleuniger der Einsamkeit: Sie lehren Männer, Stärke zu zeigen, wo Verletzlichkeit gefragt wäre. Männer fürchten, als bedürftig zu gelten und diese Sorge ist nicht unbegründet. Sich von ansozialisierten Rollenmustern zu lösen, ist ein langer Prozess – auch für Frauen. "In feministischen Kreisen wurden Männer, die sich verändern wollten, oft als narzisstisch und bedürftig bezeichnet", schreibt bell hooks (wir übernehmen ihre Eigenschreibweise – Anm. d. Red.) in "Männer, Männlichkeit und Liebe": "Einzelne Männer, die ihren Gefühlen Ausdruck verliehen, wurden als Aufmerksamkeitshascher angesehen."

Dass diese Haltung weit verbreitet ist, bildet sich auch in Social-Media-Trends ab, in denen männliche Emotionen verspottet werden. Memes über den "Performative Male" gehen viral, wollen den gespielten Feministen mit bunten Nägeln, Buch und Matcha Latte enttarnen. Dieser Trend ist eine vielleicht sogar gesunde Abwehr gegen die toxischen Inhalte, die Influencer à la Andrew Tate verbreiten. Immer noch üben Männer strukturell Macht aus, einige stellen den Feminismus als Feindbild dar und natürlich gibt es Männer, die Gefühle inszenieren. Doch wenn Verwundbarkeit grundsätzlich unter Verdacht steht, gespielt zu sein, schreckt das nicht auch die Männer ab, die es ehrlich meinen?




4. Luisa Neubauer ("Fridays for Future") hat sich noch einmal in der von Friedrich Merz angestoßenen Stadtbild-Debatte zu Wort gemeldet: "Das Problem heißt Männer". Es mache müde, von einem Kanzler regiert zu werden, "der regelmäßig im Vorbeigehen ganze Bevölkerungsgruppen vor den Kopf stößt".

Männer stellen für Luisa Neubauer demnach keine Bevölkerungsgruppe dar. Sie im Vorbeigehen vor den Kopf zu stoßen scheint für die Aktivistin kein Problem zu sein.



5. In Berlin wurde eine Obdachlosenunterkunft wegen des Verdachts auf Zwangsprostitution durchsucht. Verdächtige des Menschenhandels sind eine 83-jährige und eine 51-jährige Frau.



6. Israels Verteidigungsminister Katz hat dem Roten Kreuz untersagt, palästinesnsiche Gefangene aufzusuchen.



Mittwoch, Oktober 29, 2025

Warum eine auf Männer ausgerichtete Psychotherapie dringend nötig ist

Vor über zwei Wochen habe ich hier ein Plädoyer für eine männerfreundliche Psychotherapie veröffentlicht. Das legt die Frage nahe, ob die bestehenden psychotherapeutischen Angebote dasselbe nicht auch leisten können. Gibt es wirklich Bedarf an einer Ausrichtung, die sich speziell auf Männer fokussiert? Der Plädoyer für eine männerfreundliche Psychotherapeut Kevin Talbott erklärt, warum das bestehende Angebot unzureichend ist.



Meine therapeutische Reise begann nicht in einem Beratungszimmer. Bevor ich Therapeut wurde, arbeitete ich mehrere Jahre in der Transportbranche – ein Umfeld, das mich unerwartet mit Traumata, Gewalt, Verlust und tiefer menschlicher Verletzlichkeit konfrontierte. In dieser Zeit war ich auch als Gewerkschaftsvertreter tätig, und viele Männer vertrauten mir an, mit welchen persönlichen, emotionalen und psychischen Schwierigkeiten sie kämpften – Dinge, über die sie sonst mit niemandem sprechen konnten. Allmählich fiel mir auf, dass viele Männer in meinem Umfeld still litten – ohne Unterstützung, ohne Verständnis. Diese frühen Eindrücke legten den Grundstein für meinen späteren Weg in eine auf Männer ausgerichtete Therapie – lange bevor ich eine formale Ausbildung begann.

Als ich mit 22 Jahren eine Nachtschicht leitete, rief mich ein Lkw-Fahrer an: Jemand war auf die Schnellstraße gesprungen – direkt vor seinen Wagen. Es war ein Suizid, der Mann überlebte nicht. Der Fahrer war völlig aufgelöst. Drei Jahre zuvor hatte sich ein Angehöriger von mir das Leben genommen – nach häuslicher Gewalt. Er hatte sich erhängt. Kurz darauf nahm sich ein Kollege das Leben, indem er sich mit Benzin übergoss und anzündete, nachdem ihm Haus und Kinder entzogen worden waren. Diese Todesfälle zeigten mir schon in jungen Jahren, wie tief Männer Schmerz verbergen und wie selten sie Hilfe finden.

Einige Jahre später wurde ich auf einer Landstraße in einen Frontalzusammenstoß verwickelt. Der andere Fahrer riss im letzten Moment das Steuer herum und prallte in mein Auto. In seinem Wagen standen Benzinkanister – offenbar sollte der Unfall sein Leben beenden, und falls nicht, sollte das Benzin es tun. Zum Glück waren die Kanister noch verschlossen. Der Mann starb an der Unfallstelle; zu Hause fand man seinen Abschiedsbrief. Die Rettungskräfte reagierten mit Wut auf ihn, ich hingegen empfand großes Mitgefühl. Später erfuhr ich, dass auch er Haus und Kinder verloren hatte.

Das war nicht der erste Suizidversuch per Unfall, den ich miterlebte. Jahre zuvor war mir ein anderer Mann mit 190 km/h ins Heck gefahren – ebenfalls mit der Absicht, zu sterben. Ich zog ihn selbst aus dem rauchenden Fahrzeug. Er hielt einen Rosenkranz in der Hand. Diese Erfahrungen ergaben ein Muster, das ich nicht mehr übersehen konnte: Männer aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen gelangten an einen Punkt, an dem sie keinen Ausweg mehr sahen – und niemandem davon erzählten. Ironischerweise erzählte mir einer meiner ersten Klienten während meiner Ausbildung, er habe versucht, sich das Leben zu nehmen, indem er frontal in einen Lkw fuhr.

Meine Erfahrungen als männlicher Therapeut

Nachdem ich viele dieser Situationen selbst erlebt hatte und schließlich Therapeut geworden war, wollte ich mehr über die Psychologie von Männern erfahren. Ich nahm an einer Fortbildung zu männlicher psychischer Gesundheit teil. Zehn Therapeuten waren anwesend, neun davon Frauen. Ich war fassungslos über das, was ich hörte: Männer seien das Problem – sie öffneten sich nicht, wegen ihres Stolzes, ihrer Männlichkeit, des Systems, in dem wir leben. Diese Erklärungen schienen mir zu oberflächlich, um das Ausmaß männlicher Verzweiflung zu begreifen.

In einem verpflichtenden monatlichen Treffen mit anderen Therapeutinnen war ich der einzige Mann. Dort fielen Sätze wie: "Alle Männer sind Perverslinge", "Habt ihr mal gesehen, was für alberne Klamotten Männer mittleren Alters tragen?" (ich bin mittleren Alters), oder "Männer sind wie Homer Simpson, in ihren Köpfen läuft nur ‚döh döh döh döh‘." Während meiner Ausbildung bekam ich bei einer Eignungsprüfung für ein Praktikum sogar die Ansage, ich solle "bitte keinen Sex mit Klientinnen haben" – ein klar sexistisches Vorurteil.

Als ich meine Qualifikation erlangte, bewarb ich mich bei einer bekannten Hilfsorganisation für häusliche Gewalt. Sie nimmt Spenden entgegen, um Erwachsene und Kinder zu unterstützen – aber sie teilte mir mit, sie beschäftige nur weibliche Berater. Männer seien ausgeschlossen. Andere Auszubildende bestätigten mir, dass männliche Klienten dort ebenfalls keine Hilfe erhalten.

Während meiner Tätigkeit als telefonischer Berater in einem Employee Assistance Program erlebte ich, wie weibliche Kolleginnen männliche Klienten mit Pornografieproblemen einfach zurückwiesen. Ich bewerte das nicht, jeder Mensch hat eigene Grenzen – aber es wirft die Frage auf, wo Männer Hilfe finden sollen.

In meiner späteren Praxis erzählte mir ein Klient: "Schicken Sie mich auch weg?" Er war bereits von vier Therapeutinnen abgewiesen worden, weil er Sexarbeiterinnen aufsuchte und sich deswegen hasste. Ein anderer berichtete, seine Therapeutin habe sich als überzeugte Feministin bezeichnet, was das Vertrauen zwischen ihnen zerstörte.

Ich höre zudem von Männern, deren Partnerinnen sich ebenfalls als Feministinnen verstehen und keine Hausarbeit mehr übernehmen wollen – aus der Überzeugung heraus, ihre Männer seien Teil des Problems, wenn sie um Unterstützung bitten.

Ich betone: Ich urteile nicht über meine Kolleginnen. Ich kenne viele hervorragende Therapeutinnen. Aber die Frage bleibt: Wenn nur etwa 20 % der Therapeuten Männer sind, wenn manche Organisationen Männer ausschließen und einige Therapeutinnen sich im Umgang mit männlichen Klienten unwohl fühlen – wohin sollen Männer sich wenden?

Vor Kurzem schrieb ich für ein bekanntes Fachportal einen Artikel über väterliche Entbehrung. Darin stellte ich wissenschaftliche Erkenntnisse vor und kritisierte die Pathologisierung von Männlichkeit. Grundlage waren analytische Übersichtsarbeiten, unter anderem von Tania Reynolds. Obwohl der Beitrag sorgfältig belegt war, lehnte das Portal die Veröffentlichung ohne Begründung ab. Offenbar sind selbst Fachleute nicht immer frei von unbewussten Vorurteilen.

Ich bin froh, dass ich nach meiner Weiterbildung am Zentrum für Männerpsychologie den Mut fand, mich offen als auf Männer fokussierter Therapeut zu bezeichnen. Anfangs hatte ich Sorge, dadurch als frauenfeindlich zu gelten – diese Angst habe ich überwunden.

Erfahrungen mit männlichen Klienten

Die Arbeit mit Männern ist vielfältig und tiefgehend. Nach unzähligen Sitzungen mit Klienten aus ganz unterschiedlichen Lebenssituationen erkenne ich immer wieder ähnliche Themen.

Eines der auffälligsten ist die fehlende Wahrnehmung männlicher Opfer häuslicher Gewalt. Viele meiner Klienten sehen sich selbst nicht als Opfer oder können nicht akzeptieren, dass emotionale, verbale oder körperliche Übergriffe gegen sie ebenfalls Missbrauch darstellen. Dieser blinde Fleck hängt oft mit gesellschaftlichen Bildern zusammen, die Männer ausschließlich als Täter darstellen. Das führt zu Scham, Verdrängung und Einsamkeit.

Ein weiteres häufiges Thema ist Überarbeitung. Viele Männer arbeiten lange, meist nicht aus Ehrgeiz, sondern aus Pflichtgefühl – aus Angst, den Job zu verlieren oder ihre Familie nicht versorgen zu können. Zuhause stoßen sie dann oft auf Kritik oder emotionale Kälte. Der Druck von außen und innen zehrt an Selbstwert, Beziehung und Psyche.

Dazu kommt ein verbreitetes Gefühl der Orientierungslosigkeit. Trotz Einsatz und Disziplin spüren viele Männer Leere und den Verlust von Sinn. Fehlt die innere Richtung, wächst die Anfälligkeit für Stress, Verbitterung und Entfremdung.

Diese Erfahrungen zeigen mir, wie wichtig sichere, urteilsfreie Räume sind, in denen Männer sich öffnen und ihre Erfahrungen ordnen können. Therapie kann ihnen helfen, destruktive Muster zu erkennen, Selbstachtung wiederzufinden und ein Leben zu gestalten, das nicht nur auf Funktionieren, sondern auf Sinn beruht.

Ich arbeite mit Menschen aller Geschlechter und sexuellen Orientierungen, beobachte aber, dass viele Männer anders über Gefühle sprechen. Sie suchen nicht immer tiefenpsychologische Analysen, sondern praktische Wege, um weiterzukommen. Obwohl ich in psychodynamischer Therapie ausgebildet bin, habe ich mich zusätzlich in lösungsorientierter Kurztherapie fortgebildet – ein Ansatz, der den Bedürfnissen vieler Männer besonders entgegenkommt.

Mein Ziel ist es, Männer nicht nur beim Verstehen ihrer Vergangenheit zu unterstützen, sondern ihnen zu helfen, eine Zukunft zu gestalten, die sich echt, stabil und sinnhaft anfühlt. Diese Reise beginnt damit, gehört zu werden – und führt dahin, verstanden zu werden.




Dienstag, Oktober 28, 2025

"Fast 40 Prozent der 18- bis 30-Jährigen sagen, dass sie Frauen verstehen, die Männer hassen"

1. "Die Welt" hat den Gesellschaftstheoretiker Vincent Cocquebert dazu interviewt, wie sich die Geschlechter derzeit auseinander bewegen.

WELT: Ihren Erkenntnissen zufolge gibt es eine noch nie dagewesene affektive und beziehungsorientierte Polarisierung zwischen Männern und Frauen. Wird das Zusammenleben der Geschlechter grundlegend neu definiert wird? Und wie äußert sich das?

Vincent Cocquebert: Nach mehreren Jahrzehnten einer relativen Annäherung der Wertvorstellungen zwischen Männern und Frauen (in den Siebzigerjahren bis Mitte der 2000er-Jahre) erleben wir jetzt eine entgegengesetzte Entwicklung: Eine affektive, kulturelle und politische Polarisierung. Mittlerweile wird das andere Geschlecht immer häufiger als eine Art Bedrohung angesehen und nicht als Partner. Fast 40 Prozent der 18- bis 30-jährigen in Frankreich sagen (laut dem französischen Meinungsforschungs- und Marktforschungsinstituts IFOP), dass sie "Frauen verstehen können, die Männer hassen". Verführung ist ihnen suspekt, eine wirkliche Verbindung riskant, und so entschließen sich viele, Beziehungen gänzlich zu vermeiden.

Dieses mangelnde Vertrauen ist auch daran zu erkennen, dass immer mehr Sezessionsbewegungen auftauchen, wie die Incels, eine in den USA entstandene Internet-Subkultur heterosexueller Männer, die keinen Geschlechtsverkehr und keine romantische Beziehung haben; oder auch 4B in Südkorea, eine feministische Bewegung, in der Frauen weder heiraten, noch Kinder bekommen, daten oder eine sexuelle Beziehung zu einem Mann eingehen wollen. Andere zeigen ein Desinteresse für die Dialektik von Intimität: Was früher als romantisch bezeichnet wurde, gilt jetzt als pathologisch oder wird mit einer Dimension des sozialen Kampfes behaftet.

Auch Freundschaften gibt es immer weniger, es bilden sich weniger Paare, die Geburtenrate befindet sich im freien Fall und in sämtlichen westlichen Gesellschaften haben junge Erwachsene immer weniger sexuelle Beziehungen. All das drückt sich immer häufiger in den vollkommen unterschiedlichen Werten und manchmal auch den ganz anderen Wahlentscheidungen von Männern und Frauen aus, in stark polarisierten kulturellen Debatten und durch die unterschiedlichen digitalen Welten der Geschlechter. Um es einfach zu sagen: Was in den Schlafzimmern passiert (oder eben nicht mehr passiert), das wirkt sich auch an den Wahlurnen aus und umgekehrt. Dabei lässt sich übrigens ein erstaunliches Spiegelbild-Phänomen erkennen: Während die Intimität politisch geworden ist, nimmt die Enthaltung oder Abstinenz gleichzeitig auch an den Wahlurnen und in den Beziehungen zu, was beides auf ein Gefühl der Blockade und des mangelnden Vertrauens zurückzuführen ist.

(…) Bei Debatten in der Öffentlichkeit wird die Terminologie der Genderstudien oft als abstrakt empfunden, wie mir scheint, als realitätsfern und für manche sogar feindselig. Das führt letztlich dazu, dass man sich eher wieder auf die traditionellen Strukturen zurückzieht, und das manchmal sogar bis hin zu extremen politischen Formen. Dabei lässt sich vor allem eine wahre Metapolitisierung von Sex feststellen: Die Beziehungen zwischen Männern und Frauen wird nicht mehr nur in der intimen Privatsphäre gelebt, sondern werden zu politischen Indikatoren. Die Entscheidung für eine Liebesbeziehung, die Darstellung von Männlichkeit und Weiblichkeit, die Diskussionen über Einvernehmlichkeit oder Verführung werden als ideologische Positionen interpretiert, fast wie bei einer Wahl.

WELT: Sie schreiben diesen Bruch weniger der #MeToo-Bewegung zu als dem Boom von digitalen Technologien, die "revanchistische Subjektivierungen" verstärken. Inwiefern intensivieren denn die Medien diese wechselseitige Empfindung, dass sowohl Männer als auch Frauen der Meinung sind, ihr Leben sei schwieriger als das der anderen?

Cocquebert: Das ist richtig, denn #MeToo ist schließlich nicht ohne Grund aufgetaucht, sondern Teil einer sehr viel tiefergehenden Dynamik: aus einem wachsenden digitalen Feminismus, durch die Politisierung der Intimität, einer durch soziale Netzwerke gesteigerten Empörungskultur und letztlich auch einer Vertrauenskrise gegenüber den Institutionen. Wenn sie den Bruch auch nicht selbst kreiert haben, so wurde er durch die digitalen Tools doch verschärft, da die Algorithmen vor allem Wut und Vergleiche mit anderen fördern und dabei den Gedanken verstärken, dass das andere Geschlecht es viel leichter hat im Leben. Junge Männer finden online Diskussionen, in denen man die Schuld für ihr Unbehagen fälschlicherweise der Emanzipation der Frau zuschreibt. Junge Frauen dagegen lesen Berichte, in denen Männer als grundsätzlich feindselig dargestellt werden. Auf diese Weise bekommen beide den Eindruck, dass der andere ihn oder sie benachteiligt, woraus eine Rivalität der Gefühle entsteht, die die "Sexcession" anheizt. Und was es so schwierig macht, dieses Phänomen wieder umzukehren: Es wird von einer tiefgreifenden Veränderung unserer Lebensweise und unserer Vorstellungen unterstützt.

WELT: Ist der Rechtsruck junger Männer (vor allem der weißen) darauf zurückzuführen, dass die progressiven Kräfte ihrer Bevölkerungsgruppe aufgegeben haben? Und ist auf der anderen Seite die Tatsache, dass sich Frauen viel mehr von "progressiven" Argumenten angesprochen fühlen, vielleicht eine Folge ihrer Marginalisierung durch die Konservativen?

Cocquebert: Den Rechtsruck eines Teils der jungen Männer kann man nur dann verstehen, wenn man erkennt, dass diese progressiven Kräfte sie praktisch im Stich gelassen haben. Im Allgemeinen betrachtet man sie nur durch eine Art Filter von Privilegien oder Dominanz, als würden sie sich auf eine "negative Identität" beschränken. In dieses Vakuum haben sich dann die reaktionären und maskulinistischen Diskussionen gedrängt, die einem den Eindruck vermitteln, es handle sich um eine Gemeinschaft und eine hochgeschätzte Identität. Auf der anderen Seite haben Frauen bei den Konservativen nur sehr selten einen Rahmen gefunden, in dem man ihre Forderungen anerkannt hat, weshalb sie sich sehr viel mehr für den Progressivismus engagieren. Diese so gegensätzliche Bewegung – Unmut der Männer auf der einen Seite, feminine Mobilisierung auf der anderen – sorgt dann für den ideologischen, kulturellen und intimen Graben zwischen den Geschlechtern.




2. Die "taz" tut ihr Bestes, um den Hass auf Männer am Lodern zu halten. "Männer sind ein Risiko" ist dort die Überschrift des neuesten Artikels von Thomas Gesterkamp. Diesmal geht es um den Straßenverkehr; bebildert isst der Artikel mit einem offenbar durchdrehenden Mann, der sich in sein Lenkrad verbeißt.



3. Wie heute viele Medien berichten, hat Elon Musk gerade eine erste Version seiner KI-generierten Online-Enzyklopädie Grokipedia gestartet. Sie soll ein "wahrheitsgetreueres und unabhängigeres" Gegenstück zur Wikipedia darstellen, die nicht nur von Musk wegen ihrer redaktionellen Voreingenommenheit und enormen politischen Einseitigkeit kritisiert wird. Diese Schlagseite auch gegenüber der Männerrechtsbewegung, einschließlich mir selbst, war häufig Thema auf Genderama; Links zu entsprechenden Artikeln finden sich auf der Blogroll ganz unten.

Vor diesem Hintergrund ist klar, dass mich vor allem interessiert, ob die Grokipedia die Männerrechtsbewegung realistischer darstellt, als die Wikipedia dies tut. In beiden Enzyklopädien sind die Einträge über diese Emanzipationsbewegung viel zu lang, um sie hier einander gegenüberstellen zu können, aber schon die ersten Absätze sind anschaulich. Beide Enzyklopädien stützen ihre Darstellung zuhauf mit Quellenangaben.

Darstellung der Männerrechtsbewegung in der Wikipedia (Einleitung)

Die Männerrechtsbewegung (MRM) ist ein Zweig der Männerbewegung. Die MRM besteht insbesondere aus einer Vielzahl von Gruppen und Einzelpersonen, die als Männerrechtsaktivisten (MRAs) bekannt sind und sich auf soziale Themen konzentrieren, wie z. B. bestimmte staatliche Dienstleistungen, die ihrer Meinung nach Männer und Jungen benachteiligen oder in einigen Fällen strukturell diskriminieren. Zu den häufig diskutierten Themen innerhalb der Männerrechtsbewegung gehören Familienrecht, wie Sorgerecht, Unterhalt und Aufteilung des ehelichen Vermögens, Fortpflanzung, Selbstmord, häusliche Gewalt gegen Männer, falsche Vergewaltigungsvorwürfe, Beschneidung, Bildung, Wehrpflicht, soziale Sicherheitsnetze und Gesundheitspolitik. Die Männerrechtsbewegung spaltete sich Anfang der 1970er Jahre von der Männerbefreiungsbewegung ab, wobei beide Gruppen Teil der größeren Männerbewegung sind.

Viele Wissenschaftler beschreiben die Bewegung oder Teile davon als Gegenreaktion auf den Feminismus. Teile der Männerrechtsbewegung werden von Wissenschaftlern und Kommentatoren als frauenfeindlich, hasserfüllt und in einigen Fällen als Befürworter von Gewalt gegen Frauen beschrieben. Im Jahr 2018 stufte das Southern Poverty Law Center einige Männerrechtsgruppen als Teil einer Hassideologie unter dem Dach der männlichen Vorherrschaft ein, während andere sich „auf legitime Beschwerden konzentrierten”. Im Jahr 2024 behauptete UN Women, dass Männerrechtsbewegungen insgesamt Bewegungen seien, die sich gegen Menschen- und Bürgerrechte richten.


Hier wird die Arbeitsweise der Wikipedia bereits gut klar: Man sammelt manisch sämtliche Äußerungen von Menschen, die eine verhasste Bewegung kritisiert haben, und kloppt sie gleich in die ersten Absätze, die diese Bewegung darstellen. Das Resultat wird dann als "neutral point of view" verkauft, der ja wohl durch Quellen belegt sei. Es geht um Propaganda und Indoktrination.

Darstellung der Männerrechtsbewegung in der Grokipedia (Einleitung)

Die Männerrechtsbewegung (MRM) ist eine dezentrale soziale und politische Initiative. Sie setzt sich aus Aktivisten, Autoren und Organisationen zusammensetzt, die sich für Reformen einsetzen, die sich mit rechtlichen, institutionellen und kulturellen Benachteiligungen befassen, von denen Männer unverhältnismäßig stark betroffen sind, wie z. B. Vorurteile im Familienrecht, Lücken in der Unterstützung für männliche Opfer von Gewalt und eine höhere Sterblichkeit von Männern durch Selbstmord, Arbeitsunfälle und Inhaftierung. Sie entstand in den 1970er Jahren aus dem Männerbefreiungszweig der breiteren Männerbewegung und kritisierte Aspekte des Einflusses der zweiten Welle des Feminismus auf politische Maßnahmen wie die einvernehmliche Scheidung und die Unterhaltsvermutungen zugunsten von Müttern. Dabei positionierte sie sich als Vorreiterin für echte Geschlechtergerechtigkeit und nicht als Gegnerin der Frauenförderung.

Zu den zentralen Themen gehören die Rechte der Väter, wobei empirische Daten zeigen, dass Mütter in etwa 80 bis 90 % der umstrittenen Fälle in den USA das alleinige Sorgerecht erhalten, was zu Kampagnen für eine vermutete gemeinsame Elternschaft führt; die Entbehrlichkeit von Männern in gefährlichen Berufen, wobei Männer über 90 % der Todesfälle am Arbeitsplatz ausmachen; und die schlechten Bildungsleistungen von Jungen, die mittlerweile bei den Einschreibungs- und Abschlussquoten an Hochschulen hinterherhinken. Die Bewegung hebt kausale Faktoren wie biologische Geschlechtsunterschiede in Bezug auf Risikobereitschaft und gesellschaftliche Erwartungen an die Versorgung durch Männer hervor und argumentiert, dass diese zur Überrepräsentation von Männern in Gefängnissen (93 % der US-Häftlinge) und Selbstmorden (viermal so hoch wie die Rate bei Frauen weltweit) beitragen.

Wichtige Persönlichkeiten wie Warren Farrell haben in Werken wie "The Myth of Male Power" (1993) Behauptungen über die "Machtlosigkeit der Männer" untermauert, indem sie dokumentierten, wie entbehrliche Rollen und rechtliche Vermutungen das Wohlergehen von Männern untergraben, und damit den globalen Diskurs über Geschlechterdynamiken beeinflusst. Zu den Errungenschaften zählen ein gesteigertes Bewusstsein, das zu gesetzgeberischen Initiativen für gerechtere Sorgerechtsgesetze in Ländern wie Australien und Großbritannien geführt hat, sowie Proteste von Gruppen wie "Fathers 4 Justice", die die Entfremdung von Vätern thematisiert haben.

Kontroversen entstehen durch die Charakterisierung der MRM als antifeministisch oder frauenfeindlich, oft durch Quellen mit institutionellen Vorurteilen gegenüber progressiven Geschlechternarrativen. Die Befürworter konzentrieren sich jedoch weiterhin auf nachweisbare Ungleichheiten, ohne die historischen Ungerechtigkeiten gegenüber Frauen zu leugnen, und betonen datengestützte Interessenvertretung gegenüber ideologischen Konflikten.


Die Grokipedia bezieht also ebenfalls eindeutig Partei, aber als jemand, der seit einem Vierteljahrhundert in der Männerrechtsbewegung tätig ist und ihre Entwicklung in Büchern und diesem Blog dokumentiert, muss ich sagen, dass die Darstellung der Grokipedia bei weitem realistischer ist. Es wäre schon einiges gewonne, wenn Journalisten begännen, sich beide Standpunkte anzuschauen, bevor sie ihren nächsten Artikel in die Tasten hämmern. Dass es sich bei der Männerrechtsbewegung fast immer um Schmäh-Artikel handelt, liegt auch daran, dass es sich die meisten Journalisten einfach machen und sich an der Wikipedia orientieren. (Es hatte schon gute Gründe, dass Ideologen sie sich als wertvolles Propagandainstrument erkämpft haben.) Das dürfte in Deutschland eher nicht geschehen, wo die Medien ihrem liebsten Rechercheinstrument unkritisch gegenüberstehen und dafür jetzt schon gegen die Grokipedia Stimmung machen. In den USA, wo der Meinungskorridor weniger verengt ist, halte ich das aber durchaus für denkbar. Womöglich führt das zu einer Verschiebung der Diskurse, von der auch die Jungen und Männer in Deutschland profitieren können.



Montag, Oktober 27, 2025

Stadtbild: "Das Problem heißt nicht Migration, das Problem heißt Männer"

1. Wer das Geraune von Friedrich Merz und Co. über "Probleme im Stadtbild" noch abfeierte, weil das doch nur gegen Zuwanderer gerichtet war, darf jetzt miterleben, wie der Schwenk stärker ins Sexistische vollzogen wird. Das linke Lager nutzt die Steilvorlage des Rechten um schlicht das Ressentiment gegen Männer zu verschieben: "Das Problem heißt nicht Migration, das Problem heißt Männer" titelt die Berliner Zeitung und zitiert damit den Protest der letzten Tage gegen die Äußerungen von Friedrich Merz. Damit macht dieses Lager klar, dass es nur um die Auswahl des korrekten Feindbilds gehen soll, also gegen welche Menschen Ressentiments statthaft sind: Gegen Zuwanderer nicht, gegen Männer im Allgemeinen schon.

Auch SPD-Generalsekretär Tim Klüssendorf betont: "Dieses Unsicherheitsgefühl hat aus meiner Sicht in erster Linie mit Männern zu tun, egal welcher Herkunft." Für Frauen lauere die größte Gefahr "in den eigenen vier Wänden". Die Linken-Politikerin Clara Bünger stimmt zu: Gewalt gegen Frauen habe "kein Herkunftsproblem, sondern ein Männerproblem". Sie forderte die Bundesregierung auf, "endlich eine verlässliche bundesweite Finanzierung von Frauenhäusern und Fachberatungsstellen sicherzustellen".

Die Zeitschrift Brigitte schließlich hat eine feministische Stadtplanerin interviewt, die das Gerede von Boris Palmer und der Neuen Zürcher Zeitung, die Zuwanderer nähmen zu offensiv Raum ein, auf Männer ummünzt:

Männer nehmen mehr Raum ein, in vielerlei Hinsicht. Jede Frau kennt die Situation, wenn ihr auf dem Weg durch die Stadt eine Gruppe Männer entgegenkommt. Sie weichen nicht aus, und wenn, dann zu spät. Neulich erst kam mir ein Mann entgegen. Er hat mich gesehen und laut geschnalzt, damit ich ihm ausweiche, anstatt selbst einen Schritt zur Seite zu gehen. Das habe ich nicht eingesehen. Wir sind dann frontal zusammengeprallt.


Ja, so was passiert, wenn beide Leute stur sind, statt dass jeder ein Stück zur seite geht, wie das Menschen in solchen Situationen normalerweise tun.



2. "Darf dieser Mann nie mehr ein normales Leben führen?" fragt der STERN angesichts der seit Jahren anhaltenden Hetze gegen den Rammstein-Sänger Till Lindemann:

Till Lindemann ist für viele Menschen offenbar noch immer ein rotes Tuch. Als bekannt wurde, dass der Rammstein-Sänger als VIP beim Leipziger Opernball eingeladen ist, formierte sich prompt Widerstand. Initiativen kündigten an, gegen den "Täter-Ball", wie sie ihn nennen, protestieren zu wollen. Und das, obwohl Lindemann keineswegs auf der Bühne stehen soll, sondern einfach nur ein Gast der Veranstaltung ist. Es ist eine Stigmatisierung, die endlich enden muss.

(…) Wenn Lindemann nun, nach mehr als zwei Jahren, immer noch nicht als Privatperson auf eine Veranstaltung gehen kann, ohne dass diese in Sippenhaft genommen wird, haben wir ein Problem. Wer den Leipziger Opernball nun als "Täter-Ball" bezeichnet, weil Lindemann daran teilnimmt, sagt damit, dass er den Rechtsstaat nicht akzeptiert. Lindemann ist kein (verurteilter) Täter. Wer das ignoriert, stellt eigene moralische Werte über die Justiz.

Dahinter steht aber eine noch viel größere Frage: Wie gehen wir als Gesellschaft mit resozialisierten Personen um? Gliedern wir sie wieder ein? Stellen wir ihren Ruf wieder her? Oder nehmen wir hin, dass sie für immer gebrandmarkt sind – ob sie nun für eine Strafe verurteilt wurden und diese verbüßt haben – oder erst gar nicht auf der Anklagebank saßen und nur Vorwürfe im Raum standen?


Prominente Besucher des Opernballs haben sich verständnislos über die Proteste gegen Lindemann geäußert. "Für mich ist das nichts anderes als organisiertes Mobbing", erklärte etwa die Sängerin Annemarie Eilfeld.



3. Die aktuelle schwarz-rote Bundesregierung wird den sogenannten Vaterschaftsurlaub nicht umsetzen, den die Ampel-Regierung angehen wollte, aber scheiterte. Die EU-Vereinbarkeitsrichtlinie verlangt von jedem Mitgliedsstaat - darunter auch Deutschland - gesetzlich einen zehntägigen, bezahlten Sonderurlaub einzuführen, den jeder Vater oder gleichgestellte zweite Elternteil in Anspruch nehmen darf.Auf Nachfrage heißt es vom Familienministerium: Die Auszeit "muss Deutschland nicht umsetzen". Denn: Unter bestimmten Voraussetzungen seien Mitgliedstaaten von dieser Verpflichtung befreit.



4. Die Feuerwehr im hessischen Friedrichsdorf hat eine schon anderweitig erprobte Reaktion auf die Kritik an der Gendersprache übernommen und eine Satzung erlassen, in der ausschließlich von Frauen die Rede ist:

In der Feuerwehrsatzung steht also nun - etwa unter der Überschrift "Rechte und Pflichten": "Die Angehörigen der Einsatzabteilung haben das Recht zur Wahl der Stadtbrandinspektorin, ihrer Stellvertreterinnen, der Wehrführerin, der stellvertretenden Wehrführerin sowie der Mitglieder des Feuerwehrausschusses." Zur Wahrheit gehört, dass zwei der "Wehrführerinnen" in Friedrichsdorf Dennis und Daniel mit Vornamen heißen.


In Hessen schlägt währenddessen der Paritätische Wohlfahrtsverband Alarm: Die schwarz-rote Landesregierung übe zunehmend Druck auf Vereine und Initiativen aus, sich an das sogenannte Genderverbot zu halten. Verbände und Projekte, die mit einzelnen Ministerien kooperierten oder vom Land Förderung erhalten, würden dazu aufgefordert, in ihren Texten oder bei der Bewerbung gemeinsamer Veranstaltungen nicht mit Sonderzeichen zu gendern.



5. Ab heute ist eine ZDF-Sendung zum Thema "Bin ich gut im Bett? Was Männern Druck macht", moderiert von Leon Windscheid, in der ZDFmediathek abrufbar.



6. In der Schweiz soll eine Kompaniekommandantin drei Rekruten geschlagen haben, weil die Männer unerlaubt Bier gekauft hatten.

Die Kommandantin habe sie angeschrien, ihnen die Handys abgenommen und sie in die Turnhalle geschickt. "Plötzlich schlug sie zu – mit der Faust, immer wieder in den Oberkörper", so seine Erzählung. Einer seiner Kameraden sei gestoßen, ein anderer geohrfeigt worden. Er selbst habe nicht gewusst, ob er sich wehren oder einfach stehen bleiben solle – und habe sich für Letzteres entschieden. Kurz nach dem Vorfall wandte sich der junge Mann an den Armeeseelsorger. Die Militärpolizei wurde eingeschaltet, der Soldat kam ins Spital. Dort wurden mehrere Hämatome im Bereich der Rippen festgestellt. (…) Die Kommandantin wurde noch in derselben Nacht vom Dienst entbunden. Inzwischen ist sie laut der Schweizer Armee in einem anderen Kommando tätig.




7. Rechtspopulistische Politikerinnen lösen Männer ab schlagzeilt fassungslos die "taz". Wenn Frauen, sobald sie an der Macht sind, sich wie Männer benehmen, hilft das nun mal wirklich nicht, um gegen Männer eifernd Stimmung zu schüren.

Der Artikel ist heute auch Thema bei Christian Schmidt.



8. Ein "beispielloses Urteil" ist in Frankreich ergangen: Erstmals muss eine Frau lebenslang in Haft. Nötig war dazu eine "extreme Grausamkeit der Straftaten", also "wahre Folter".



9. Ein Bericht der Vereinten Nationen wirft Kroatien Diskriminierung vor, weil dort allein Männer zum Zwangsdienst im Militär eingezogen werden.



Freitag, Oktober 24, 2025

Boris Palmer: "Junge Männer halten sich zu offensiv auf"

1. Wie der Merkur berichtet, hat Bundeskanzler Friedrich Merz mit seinen Äußerungen über "Probleme im Stadtbild" Unterstützung von Borsi Palmer erhalten:

Der parteilose Oberbürgermeister Boris Palmer zeigte im Interview mit Bild Verständnis für die Behauptung von Friedrich Merz, es gäbe ein Problem im "Stadtbild", das mit Rückführungen zu lösen sei. Er interpretiere die Aussage des Kanzlers nicht als Kritik an Menschen mit "anderer Hautfarbe". Gemeint seien stattdessen "Junge Männer ohne Arbeit und Aufenthaltsrecht, die sich sehr lange und offensiv auf Plätzen, Bahnhöfen und Parks aufhalten. Und wenn es so gemeint ist, hat der Kanzler einen Punkt."

Im Internet hatte Boris Palmer vergangene Woche noch angriffslustig Stimmung gegen nicht-weiße Menschen geschürt: "Wer sich häufiger in Parks und Bahnhöfen in den Städten aufhält, weiß genau, was der Kanzler meint: Gruppen junger Männer mit dunkler oder schwarzer Hautfarbe, die den ganzen Tag oder auch die Nacht Zeit haben, dort zusammenzustehen", schrieb der ehemalige Grünen-Politiker auf Facebook. "Es muss nicht mal sein, dass sie Drogen verticken, was leider oft genug der Fall ist. Es reicht völlig, dass man sie dort tagein tagaus sieht, um sich zu ärgern."


~ Vor diesem Hintergrund ermahne ich alle Männer aus dieser Gruppe, die dieses Blog lesen: Haltet euch nicht lange an öffentlichen Plätzen auf! Um die Neue Zürcher Zeitung zu zitieren: Das ist eine "atemberaubende Respektlosigkeit" und "eine Landnahme, die sich kein Staat bieten lassen kann". Wie kommt ihr überhaupt auf die Idee, ihr könnt einfach irgendwo Raum einnehmen und dabei noch nicht mal Drogen verticken? Es gibt bestimmt irgendwo Orte, wo man euch nicht sieht und ihr niemanden stört. Die Schwulen haben das ja auch lange Zeit hinbekommen. Öffentliche Plätze jedenfalls sind in Deutschland nicht für alle da. Für euch sicherlich nicht. ~

Ich denke, damit habe ich auch Friedrich Merz und Jens Spahn aus dem Herzen gesprochen. Schlimm, wenn Leute sich nicht mehr offen zu sagen trauen, was sie denken, nur weil man sie dann als Rassisten durchschaut.



2. "Die Welt" beschäftigt sich damit, wie schnell Mann es bei Frauen verschissen hat:

Es ist ja auch wirklich schwer mit anzusehen, wie der Mann so komisch in die Knie geht. Doch er muss es tun, sonst kann er nicht durch das Fernrohr schauen. Weil er ein bisschen zu groß ist. Und jetzt ist sein Körperschwerpunkt nach unten verlagert, einen Buckel hat er dabei auch noch. "Ick, Ick, Ick!", schreien die jungen Frauen in den Kommentaren. Für sie ist in diesem Moment jegliche sexuelle Anziehung gestorben. Dieser Mann muss für seine kindliche Neugier, von der Aussichtsplattform auf das Meer blicken zu wollen, den Preis bezahlen.

Den Ekelmoment, den "Ick", bei Männern zu identifizieren, ist auf TikTok und Instagram zum Sport geworden. Junge Frauen machen sich einen großen Spaß daraus, den einen Augenblick auszumachen, in dem der Mann aus der erhabenen Rolle fällt – und so Abscheu hervorruft. Wenn Männer nur wüssten, wann das überall der Fall ist. Auffällig oft sind Füße involviert. "Das ist der Ekel, mit dem alles angefangen hat", schreibt eine TikTok-Userin zum Beispiel, als ein Mann in Ballerinasocken durch die Küche huscht und den Kühlschrank einräumt. Ein anderer Mann produziert den "Ick", weil er seine Fußzehen in die Metallstütze des Barhockers krümmt.

Aber nicht nur das: Männer in Kuscheldecken: Ick. Männer mit Turnbeuteln auf dem Rücken: Ick. Keinen Führerschein haben, nicht mit dem Ball umgehen können, sich beim Tauchen die Nase zuhalten: Ick, Ick, Ick. Dieses griffige Wort, das man auch mit "Abturner" und "Ekel" übersetzen kann, ist also keine moralische Verurteilung, sondern eine ästhetische, die den Strömungsabriss im eigenen Begehren beschreibt. Schon bemerkenswert, dass es immer die Momente sind, in denen der Mann irgendwie unbeholfen, verletzlich, unkoordiniert – also menschlich – wirkt.

(…) Keine Frau würde sich wohl ernsthaft den aufrichtigen, intelligenten, hübschen Mann durch die Lappen gehen lassen, nur weil er mal in die Hocke geht. Und dennoch verraten die "Icks", die besprochen werden, etwas über die Bigotterie der modernen Frau. Lauthals fordern sie in den vergangenen Jahren den sensiblen Mann, der sich aus dem Schutzpanzer der Coolness herauswagt und mal riskiert, hilflos zu sein. Hier tut er das, wenn er sich in die Kuscheldecke einlümmelt oder Angst hat, beim Tauchen die Nasennebenhöhlen mit Wasser zu spülen. Aber das ist es für diese Frauen dann eben doch: Ick.




3. Hannover eröffnet die erste Schutzwohnung für männliche Opfer häuslicher Gewalt.

Bundesweit stehen Männern derzeit 53 Plätze in 17 Einrichtungen zur Verfügung. Laut Männerbüro hat die Zahl der Fälle häuslicher Gewalt gegen Männer in der Region Hannover deutlich zugenommen: Von 510 Fällen im Jahr 2021 auf 1.293 im Jahr 2024 - ein Anstieg um mehr als 150 Prozent. Das Projekt ist zunächst bis 2027 befristet, soll aber dauerhaft etabliert werden.


Wie ich bei solchen Gelegenheiten immer wieder sage: Ich gehe nicht davon aus, dass Frauen urplötzlich doppelt so gewalttätig geworden sind, sondern dass sich das Dunkelfeld ganz allmählich aufhellt.



4. Der Rammstein-Sänger Till Lindemann ist zum Leipziger Opernball eingeladen worden. Natürlich bedeutet das Stress für die Veranstalter:

Das Leipziger Bündnis "Gemeinsam gegen sexualisierte Gewalt und Machtmissbrauch" hat die Einladung von Rammstein-Sänger Till Lindemann zum Leipziger Opernball kritisiert. In einem Offenen Brief mahnte der Zusammenschluss aus Vereinen, Institutionen und Akteuren der Zivilgesellschaft die gesellschaftliche und moralische Verantwortung der Veranstalter an und warnte vor einem "fatalen Signal" an Betroffene sexualisierter Gewalt.

Juristische Unbedenklichkeit könne keine moralische Entlastung bieten, hieß es in dem Brief, der den Angaben nach bislang von mehr als 180 Akteuren der Leipziger Kulturszene mitgezeichnet wurde.

(…) Der 62-jährige Lindemann stand im Jahr 2023 im Zentrum schwerwiegender Vorwürfe. Mehrere Frauen hatten teilweise anonyme Anschuldigungen gegen ihn erhoben. Lindemann hatte die Vorwürfe vollständig zurückgewiesen. Die Berliner Staatsanwaltschaft hatte im August 2023 ihre Ermittlungen gegen den Rockstar mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt.




5. Die Tagesschau berichtet aus Israel:

Ein Raum im Nasser-Krankenhaus in Chan Junis im südlichen Gazastreifen: Dutzende Menschen sitzen oder stehen vor einem Bildschirm, auf dem schreckliche Bilder zu sehen sind. Fotos von Leichen von Palästinensern, die Israel freigegeben hat, und die dann vom Roten Kreuz in den Gazastreifen gebracht wurden.

Auch eine junge Frau ist da, sie ist die Tochter von Mohammad Abdel Kader Zughra aus dem Norden von Gaza-Stadt. Mit den Terroristen aus dem Gazastreifen, die Israel überfallen haben, habe er nichts zu tun, sagt sie. Und: Er sei am 7. Oktober 2023 morgens an der Grenze zu Israel festgenommen worden. Ob sich Ihr Vater, wie sie sagt, dort nur als Schaulustiger aufgehalten habe, lässt sich nicht überprüfen.

"Es hieß in den Nachrichten, die Leichen seien angekommen", erzählt die Tochter. Auf den Fotos habe sie etwas gesehen, das sie an ihren Vater erinnert habe. "Deshalb bin ich gekommen, um den Körper aus der Nähe zu sehen. Deshalb sind wir heute zum Nasser-Krankenhaus gekommen, um sicher zu gehen, ob das mein Vater ist oder nicht."

Insgesamt 150 Leichen habe Israel übergeben, heißt es. Ahmad Dheir hat die meisten gesehen. Er ist der Chef der forensischen Medizin in Gaza. Mit seinen Mitarbeitern versucht er, die Fälle so gut es geht zu dokumentieren.

Nachdem er die Leichen gesehen hat, erhebt er im Gespräch mit dem ARD-Studio Tel Aviv schwere Vorwürfe: In den meisten Fällen seien die Leichen nackt gewesen, nur einige hätten Unterwäsche getragen. "Sie hatten ihre Hände auf dem Rücken gefesselt, an den Handgelenken und auch an den Knöcheln. Zwei hatten Augenbinden. Einer hatte ein Seil um den Hals. Es gibt viele Prellungen am ganzen Körper. Einigen wurde in den Kopf oder in die Brust geschossen." Spuren von Folter zeigen nach seinen Angaben viele der Leichen.

(…) Wie und wann die Palästinenser umgekommen sind, lässt sich nicht überprüfen. Aber es gibt Berichte von zahlreichen Toten in israelischen Gefängnissen und Militärlagern. Fälle von schwerer Folter und sexueller Gewalt wurden auch von israelischen Nichtregierungsorganisationen dokumentiert. Von 80 Toten Palästinensern in israelischen Gefängnissen und Lagern sprechen die Vereinten Nationen.

(…) Tal Steiner, die Direktorin des Öffentlichen Komitees gegen Folter in Israel, sieht ein Muster, auch wenn sie Einzelfälle nicht bestätigen kann: "Ich kann zu den konkreten Leichen nichts sagen, die zurückgegeben wurden, denn wir haben sie nicht gesehen und keine direkten Informationen", erklärt sie. "Aber wir wissen, dass die Todesrate von Palästinensern in israelischer Haft sehr hoch ist. Wir sehen auch, dass die Vorwürfe, dass die Leichen Spuren von Folter zeigen, auf einer Linie ist mit den Zeugenaussagen, die wir haben - über schweren körperlichen und sexuellen Missbrauch in israelischen Gefängnissen."

Steiner fordert eine Untersuchung der Fälle. Bisher hat es die von den israelischen Behörden nur vereinzelt gegeben.

Im Nasser-Krankenhaus haben sie Dutzenden Leichen in einen Kühlwagen geladen, sie sollen in den nächsten Tagen beerdigt werden. Die Tochter von Mohammad Abdel Kader Zughra hat ihren Vater identifizieren können: Er ist es, 48 Jahre alt, aus Ssheich Radwan im Norden von Gaza-Stadt. "Ihn in diesem Zustand zu sehen, war schwer, ich kann das nicht beschreiben", sagt die Tochter. "Die Hand meines Vaters amputiert zu sehen, die Spuren von Folter auf seinem Körper. Wir dachten, er ist ein Gefangener oder getötet. Es ist sehr schwer zu beschreiben."




6. Großbritannien hat eine bedeutende Gesetzesänderung im Familienrecht vorgenommen. Bisher galt dort im Rahmen des Children Act 1989 die Annahme, dass der Kontakt zu beiden Elternteilen grundsätzlich im besten Interesse des Kindes sei – sofern keine Gefährdung nachgewiesen wurde. Diese "Vermutung der Beteiligung beider Eltern" soll jetzt aufgehoben werden. Gerichte werden künftig nicht mehr mit der Vorgabe starten, dass elterliche Beteiligung per se gut sei. Stattdessen soll jeder Fall individuell beurteilt werden.



7. Im US-Bundesstaat Virginia soll ein neuer parlamentarischer Beirat entstehen, der sich gezielt mit den Lebenslagen von Männern und Jungen befasst. Der Vorschlag gilt als der erste seiner Art in den Vereinigten Staaten. Ziel ist es, Probleme, die Männer und Jungen in Bildung, Gesundheit, Arbeitswelt und sozialer Entwicklung betreffen, systematisch zu untersuchen und politische Handlungsempfehlungen zu formulieren.

Der geplante Beirat soll sich insbesondere vier Themenfeldern widmen: der Bildung, da Jungen in vielen Bereichen schlechtere Leistungen zeigen und häufiger die Schule abbrechen; den wirtschaftlichen Chancen, weil viele junge Männer in Virginia weder in Ausbildung noch in Arbeit sind; der Gesundheit, da Männer häufiger von psychischen Erkrankungen, Suiziden und Drogenüberdosierungen betroffen sind; sowie den Auswirkungen sozialer Medien auf das Selbstbild und die Identitätsentwicklung von Jungen und Männern.

Zur Untermauerung der Notwendigkeit werden im Artikel mehrere Zahlen genannt. So sind 13 Prozent der Männer zwischen 16 und 24 Jahren in Virginia weder beschäftigt noch in Ausbildung. Vier von fünf Suizidopfern sind männlich, ebenso 71 Prozent der Menschen, die an Überdosierungen sterben. Etwa jeder zehnte Mann im erwerbsfähigen Alter hat keine Krankenversicherung – deutlich mehr als bei Frauen. Zudem sind nur rund acht Prozent der Pflegekräfte männlich, was auf eine starke Geschlechterungleichheit in sozialen Berufen hinweist.

Der Gesetzesentwurf, der die Gründung dieser "Virginia Advisory Commission for Men and Boys" vorsieht, soll im kommenden Jahr ins Parlament eingebracht werden. Begleitend dazu sind öffentliche Anhörungen geplant, bei denen Männer und Jungen ihre Erfahrungen schildern und Anregungen geben können. Die Initiative wird von führenden Abgeordneten unterstützt, darunter House Speaker Don Scott, und greift auf Forschung des American Institute for Boys and Men unter der Leitung von Richard Reeves zurück.

Die geplante Einrichtung gilt als wichtiger Schritt, um strukturelle Benachteiligungen von Männern und Jungen sichtbarer zu machen und gezielte politische Maßnahmen anzustoßen. Bislang gibt es keine vergleichbare staatliche Einrichtung in den USA, die sich ausschließlich mit den Anliegen dieser Bevölkerungsgruppe befasst.



8. Apple hat die beiden Dating-Apps Tea Dating Advice ("Tea") und TeaOnHer aus dem App Store entfernt. Die Maßnahme gilt weltweit, während beide Anwendungen auf Android-Geräten weiterhin verfügbar sind. Nach Angaben des Unternehmens verstießen die Apps gegen zentrale Richtlinien des App Store, insbesondere gegen Bestimmungen zur Moderation von Nutzerinhalten, zum Datenschutz und zu wiederholten Beschwerden über problematische Inhalte.

Die App "Tea" war ursprünglich als Plattform für Frauen gedacht, die dort über ihre Dates berichten und Männer in Kategorien wie "grünes Zeichen" oder "rotes Zeichen" einordnen konnten. Das Konzept verbreitete sich viral, wodurch die Anwendung über sechs Millionen Downloads und rund fünf Millionen US-Dollar Umsatz erzielte. Als Reaktion darauf entstand "TeaOnHer" als männliches Pendant, das etwa 2,2 Millionen Mal heruntergeladen wurde. Beide Apps sorgten wiederholt für Sicherheitsprobleme. Im Sommer kam es bei "Tea" zu einer Datenpanne, bei der rund 72.000 Bilder, darunter Selfies, Ausweisdokumente und persönliche Nachrichten, öffentlich wurden. Auch "TeaOnHer" wies Konfigurationsfehler auf, die private Informationen offenlegten.

Apple erklärte, man habe die Entwickler mehrfach auf diese Mängel hingewiesen, doch die Probleme seien nicht behoben worden. Deshalb sei die Entfernung aus dem App Store erfolgt. Unterdessen sind bereits Nachahmer-Apps aufgetaucht, die das Konzept der ursprünglichen Anwendungen fortführen.



9. Die Post. Einer meiner Leser schreibt mir:

Guten Morgen Herr Hoffmann,

in Wien ist gerade ein Verfahren gegen sechs Jugendliche zu Ende gegangen, die eine Lehrerin über Monate quälten, erpressten und schließlich ihre Wohnung in Brand steckten. Das ist thematisch sicher zunächst weniger passend für Genderama, interessant wird es meines Erachtens hier:

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"Frage: Wie hat alles begonnen?

Antwort: Mit einem "Fehler", wie das Opfer selbst sagt. Sie hatte ein einvernehmliches sexuelles Verhältnis mit einem minderjährigen (damals 16-Jährigen) Ex-Schüler gehabt.

Frage: Ist das nicht strafbar?

Antwort: Nein, befand die Staatsanwaltschaft. Der Jugendliche sei zwar minderjährig gewesen, allerdings "sexuell selbstbestimmungsfähig". Zudem war das Opfer nicht mehr seine Lehrerin, weshalb "keinerlei Autoritätsverhältnis" vorlag. Und, wichtig: Das Verhältnis war – im Gegensatz zu den anderen – einvernehmlich.“


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Das wiederum finde ich jetzt recht interessant. Ich frage mich was – unabhängig vom restlichen Fall – wohl los gewesen wäre und wie man es medial beschrieben und eingeordnet hätte, wenn da ein 30jähriger Lehrer ein Verhältnis mit seiner ehemaligen Schülerin begonnen hätte, die obendrein noch minderjährig ist. Ob man da zum Fazit kommen würde, dass "keinerlei Autoritätsverhältnis" mehr vorlag, nur weil dieser Teil ihres Verhältnisses formal beendet war? Oder man das unter Verweis auf "MeToo", "toxische Maskulinität" oder was auch immer, anders einordnete? Und ob man bei der Darstellung des Verhältnisses ebenfalls lapidar die Position des Lehrers übernehmen würde, dass es ein "Fehler" gewesen sei – oder noch ganz andere Wertungen dazupacken würde? Okay, eigentlich frage ich mich das nicht, weil die Antworten irgendwie klar sind.

Wie auch immer. Wenn man sich dann weiter durch jenen "Standard"-Artikel arbeitet, stößt man schließlich auf eine durchaus wichtige Frage – und eine Antwort, die im Erwartbaren hängen bleibt:

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Frage: Was bringt männliche Jugendliche, die in einer aufgeklärten modernen Gesellschaft leben, dazu, derartige Taten zu begehen?

Antwort: Auf diese Frage gibt es nicht eine, sondern viele Antworten. Eine lautet, dass jugendliche Gefährder meist – jedoch nicht zwangsläufig – in einem sozialökonomisch marginalisierten Kontext aufgewachsen sind, so formuliert es Soziologin Elli Scambor vom Institut für Männer- und Geschlechterforschung in Graz. Insbesondere junge Männer, die sich "abgehängt", orientierungslos und emotional isoliert fühlen, würden sich zunehmend in eine digitale Männerwelt, die sogenannte "Manospere" zurückziehen, wo sie gewaltvollen und frauenverachtenden Narrativen, wie etwa dem von ihrem angeblichen "Recht auf Sex" begegnen.


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Oder auf Deutsch: Genderama und Co. haben mitgequält!!1!

Nein, im Ernst: Es ist immer wieder erstaunlich, wie Leidmedien "die" Manospere als Ultralöschdecke und Argument für alles und jeden aus dem Hut zaubern. Darf man erwarten, dass beim nächsten Fall einer raubenden und quälenden Mädchenclique die "Feminospere" verantwortlich gemacht wird? Jette Nietzard, der AK Gender und Co.? Und männerverachtende Narrative wie "Alle Männer sind Monster" / "Vergewaltiger im Wartestand" in den Fokus rücken? Auch hier kennt man wohl die Antwort.

Weiter geht‘s:

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Als weiteren Risikofaktor benennt Scambor das Aufwachsen in Familien, "in denen der Vater das letzte Wort hat". Eine aktuelle Studie des Instituts für Männer- und Geschlechterforschung zeigte, dass in solchen Familien die Gewaltgefahr deutlich höher ist als in jenen, in denen sich beide Elternteile gleichermaßen in Entscheidungsprozesse einbringen.

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Ein Aufwachsen in Familien, in denen die Mutter das letzte Wort hat oder alleinerziehend ist, wurde nicht weiter untersucht?

Immerhin gibt es auch solche Passagen:

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"Umgekehrt ist eine fürsorgliche männliche Bezugsperson für männliche Jugendliche der größte Schutzfaktor", sagt die Geschlechter- und Männerforscherin.

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Dem und der psychischen wie physischen Gesundheit von Jungen sowie männlichen Heranwachsenden hätte man durchaus mal Raum geben können. Hätte. Und fraglich bleibt für mich ohnehin, ob es überhaupt viele Leser so weit nach unten geschafft haben oder den Fall nach den ersten Absätzen mit dem Fazit "typisch toxische Männlichkeit" abhakten.




Mittwoch, Oktober 22, 2025

Die große Feminisierung

Im US-amerikanischen Magazin Compact, das sich auf eine sozialdemokratische Tradition bezieht, hat die Journalistin Helen Andrews dieser Tage einen Beitrag über "die große Feminisierung" veröffentlicht. Was sie damit meint, erklärt sie in ihrem Debattenbeitrag, bei dem ich auch eine Veröffentlichung auf deutsch sinnvoll finde. (Die Vorstellung, eine deutsche sozialdemokratische Zeitschrift könnte diesen Aufsatz veröffentlichen, ist allerdings absurd.)



2019 las ich einen Artikel über Larry Summers und Harvard, der meine Sicht auf die Welt veränderte. Der Autor, der unter dem Pseudonym "J. Stone" schrieb, vertrat darin die These, dass der Tag, an dem Larry Summers als Präsident der Harvard University zurücktrat, einen Wendepunkt in unserer Kultur markierte. Die gesamte "woke" Epoche lasse sich aus diesem Moment ableiten – aus den Umständen seiner öffentlichen Ächtung und vor allem aus der Frage, wer sie betrieb: Frauen.

Die Grundzüge der Affäre um Summers waren mir bekannt. Am 14. Januar 2005 hielt er auf einer Konferenz zum Thema "Diversifying the Science and Engineering Workforce" einen Vortrag, der eigentlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt war. Darin äußerte er, dass die geringere Präsenz von Frauen in den Naturwissenschaften teilweise auf "unterschiedliche Begabungsverteilungen im oberen Leistungsbereich" zurückzuführen sei – sowie auf unterschiedliche Interessen zwischen Männern und Frauen, die nicht bloß durch gesellschaftliche Prägung erklärbar seien. Einige der anwesenden Professorinnen fühlten sich durch seine Aussagen beleidigt und gaben sie entgegen der Absprache an eine Journalistin weiter. Der daraufhin ausgelöste Skandal führte zu einem Misstrauensvotum der Harvard-Fakultät und schließlich zu Summers’ Rücktritt.

Der Essay argumentierte, dass Frauen den Präsidenten von Harvard nicht nur gestürzt hätten – sondern dies auf eine sehr weibliche Weise taten. Sie setzten auf emotionale Appelle statt auf logische Argumente. "Als er begann, über angeborene Unterschiede in der Begabung zwischen Männern und Frauen zu sprechen, konnte ich kaum atmen, weil mich solche Vorurteile körperlich krank machen", sagte die Biologin Nancy Hopkins vom MIT. Summers veröffentlichte daraufhin eine Erklärung zur Klarstellung seiner Aussagen, dann eine weitere und schließlich noch eine dritte, jedes Mal mit eindringlicherem Ton. Fachleute meldeten sich zu Wort und erklärten, dass alles, was Summers gesagt hatte, im Rahmen des wissenschaftlichen Mainstreams lag. Diese sachlichen Einwände zeigten jedoch keinerlei Wirkung auf die aufgeheizte Stimmung.

Diese "Cancel Culture" sei weiblich, argumentierte der Essay, weil jede Form des Cancelns weiblich sei. Cancel Culture sei schlicht das, was Frauen tun, sobald sie in einer Organisation oder einem Berufsfeld zahlreich genug vertreten sind. Das ist die sogenannte "These der großen Feminisierung", die derselbe Autor später in einem Buch ausführlich darlegte: Alles, was man heute als "Wokeness" bezeichnet, sei lediglich ein Begleitphänomen demografischer Feminisierung.

Die Erklärungskraft dieser einfachen These war verblüffend. Sie schien tatsächlich die Eigenarten unserer Zeit zu entschlüsseln. Wokeness sei keine neue Ideologie, kein Ableger des Marxismus und auch keine Folge von Ernüchterung nach der Obama-Ära. Es handle sich schlicht um weibliche Verhaltensmuster, die auf Institutionen angewandt werden, in denen Frauen bis vor Kurzem kaum vertreten waren. Wie konnte mir das zuvor entgehen?

Vermutlich, weil ich – wie die meisten Menschen – Feminisierung als etwas betrachte, das längst in der Vergangenheit liegt, vor meiner Geburt. Wenn wir etwa an Frauen im juristischen Bereich denken, fallen uns die erste Frau ein, die eine juristische Fakultät besuchte (1869), die erste, die vor dem Supreme Court ein Plädoyer hielt (1880), oder die erste Richterin am Supreme Court (1981).

Ein viel bedeutenderer Wendepunkt war jedoch erreicht, als an den juristischen Fakultäten erstmals mehr Frauen als Männer studierten – das war 2016 – und als die Mehrheit der jungen Anwälte in Kanzleien weiblich wurde, was 2023 geschah. Als Sandra Day O’Connor an den Obersten Gerichtshof berufen wurde, waren nur fünf Prozent aller Richter Frauen. Heute stellen Frauen 33 Prozent der Richter in den USA und 63 Prozent derjenigen, die Präsident Joe Biden ernannt hat.

Ein ähnlicher Verlauf lässt sich in vielen Berufen beobachten: eine Pioniergeneration von Frauen in den 1960er- und 1970er-Jahren, ein stetiger Anstieg des Frauenanteils in den 1980ern und 1990ern und schließlich das Erreichen des zahlenmäßigen Gleichgewichts – zumindest in den jüngeren Jahrgängen – in den 2010er- oder 2020er-Jahren. 1974 waren nur 10 Prozent der Reporterinnen und Reporter der New York Times weiblich. 2018 wurde die Redaktion mehrheitlich weiblich, heute liegt der Anteil bei 55 Prozent.

Die medizinischen Fakultäten erreichten 2019 eine weibliche Mehrheit. Im selben Jahr stellten Frauen erstmals die Mehrheit der landesweit hochgebildeten Erwerbstätigen. 2023 wurden sie auch zur Mehrheit unter den Hochschullehrenden. In Führungspositionen in den USA stellen Frauen zwar noch keine Mehrheit, liegen aber mit 46 Prozent bereits nah daran. Das zeitliche Muster passt also: Der Aufstieg der sogenannten Wokeness fiel in die Jahre, in denen viele einflussreiche Institutionen demografisch von männlich dominiert zu weiblich geprägt wurden.

Auch inhaltlich ergibt sich ein Zusammenhang. Alles, was man mit Wokeness verbindet, bedeutet eine Vorrangstellung weiblicher Werte gegenüber männlichen: Empathie vor Rationalität, Sicherheit vor Risiko, Zusammenhalt vor Wettbewerb. Andere Autoren, die eigene Varianten der These von der "großen Feminisierung" formulierten – etwa Noah Carl oder Bo Winegard und Cory Clark, die sich mit deren Auswirkungen auf die Wissenschaft beschäftigten – stützten sich auf Umfragen, die deutliche Unterschiede in den politischen Grundhaltungen der Geschlechter zeigen. Eine dieser Erhebungen ergab zum Beispiel, dass 71 Prozent der Männer den Schutz der freien Meinungsäußerung wichtiger fanden als gesellschaftlichen Zusammenhalt, während 59 Prozent der Frauen das Gegenteil angaben.

Die entscheidenden Unterschiede betreffen jedoch nicht Einzelpersonen, sondern Gruppen. Einzelne Menschen sind individuell und es gibt täglich Ausnahmen, die jedes Klischee widerlegen – doch Gruppen von Männern und Frauen zeigen über längere Zeiträume hinweg beständige Unterschiede. Statistisch betrachtet ist das plausibel: Eine zufällig ausgewählte Frau kann größer sein als ein zufällig ausgewählter Mann, aber in einer Gruppe von zehn zufälligen Frauen ist es höchst unwahrscheinlich, dass deren Durchschnittsgröße über der von zehn zufälligen Männern liegt. Je größer die Gruppe, desto stärker nähern sich ihre Merkmale dem Durchschnitt an.

Weibliche Gruppendynamik begünstigt Konsens und Kooperation. Männer geben einander Anweisungen, Frauen hingegen schlagen vor und versuchen zu überzeugen. Kritik oder negative Einschätzungen müssen, wenn sie überhaupt geäußert werden, sorgfältig in Freundlichkeit eingebettet sein. Wichtiger als das Ergebnis einer Diskussion ist, dass sie stattgefunden hat und alle beteiligt waren. Der zentrale geschlechtsspezifische Unterschied in Gruppendynamiken betrifft die Haltung zu Konflikten: Männer tragen Konflikte offen aus, während Frauen dazu neigen, Gegner verdeckt zu unterminieren oder auszugrenzen.

Die Journalistin Bari Weiss beschrieb in ihrem Rücktrittsschreiben an die New York Times, wie Kollegen sie in internen Slack-Nachrichten als Rassistin, Nazi und Fanatikerin bezeichneten – und, wie sie betonte, der "weiblichste" Aspekt sei gewesen, dass Mitarbeitende, die als ihr gegenüber freundlich galten, von anderen schikaniert wurden. Weiss hatte einmal eine Kollegin aus der Meinungsredaktion eingeladen, mit ihr einen Kaffee zu trinken. Die Journalistin, eine Frau mit gemischtem ethnischem Hintergrund, die häufig über Rassismus schrieb, lehnte ab. Offensichtlich war das ein Bruch elementarer beruflicher Umgangsformen – und, so der Essay, ein typisch weibliches Verhalten.

Männer seien im Allgemeinen besser darin, Dinge voneinander zu trennen, während Wokeness in vieler Hinsicht ein gesellschaftsweites Versagen eben dieser Trennung darstelle. Früher konnte ein Arzt persönliche politische Überzeugungen haben, hielt es aber für seine berufliche Pflicht, diese außerhalb des Behandlungszimmers zu lassen. Inzwischen, da die Medizin weiblicher geprägt sei, tragen Ärzte Anstecknadeln oder Schlüsselbänder, die ihre Haltung zu umstrittenen Themen – von LGBTQ-Rechten bis zu Gaza – zum Ausdruck bringen. Mitunter nutzten sie sogar das Ansehen ihres Berufs, um politische Moden zu stützen, etwa als manche Mediziner erklärten, die Black-Lives-Matter-Proteste dürften trotz der Corona-Beschränkungen weitergehen, da Rassismus ein Problem der öffentlichen Gesundheit sei.

Ein Buch, das half, diese Zusammenhänge zu verstehen, war Warriors and Worriers: The Survival of the Sexes der Psychologin Joyce Benenson. Sie vertritt die These, dass Männer Gruppendynamiken entwickelten, die auf Krieg ausgerichtet sind, während Frauen Verhaltensmuster entwickelten, die dem Schutz ihrer Kinder dienen. Diese uralten, in der Frühgeschichte entstandenen Gewohnheiten erklären, warum Forscher in einem modernen psychologischen Experiment – das Benenson zitiert – beobachteten, dass Männer, die gemeinsam eine Aufgabe erhielten, um Redezeit wetteiferten, einander lautstark widersprachen und anschließend gut gelaunt eine Lösung präsentierten. Eine Gruppe von Frauen, die dieselbe Aufgabe bekam, fragte dagegen höflich nach dem persönlichen Hintergrund der anderen, suchte viel Blickkontakt, lächelte und wechselte sich regelmäßig ab – schenkte der eigentlichen Aufgabe jedoch wenig Beachtung.

Der Sinn des Krieges besteht darin, Konflikte zwischen zwei Gruppen zu entscheiden – und das funktioniert nur, wenn danach wieder Frieden einkehrt. Männer entwickelten deshalb Strategien, um sich mit Gegnern zu versöhnen und mit jenen in Frieden zu leben, mit denen sie gestern noch kämpften. Weibchen – selbst bei anderen Primatenarten – zeigen sich in der Regel weniger versöhnlich. Das liegt daran, dass die Konflikte von Frauen traditionell innerhalb der eigenen Gemeinschaft stattfanden, meist um begrenzte Ressourcen. Diese Auseinandersetzungen wurden nicht offen, sondern verdeckt ausgetragen – ohne klaren Abschluss.

All das passte zu meinen eigenen Beobachtungen von Wokeness. Doch die anfängliche Begeisterung über eine neue Erklärung wich bald einem unguten Gefühl. Wenn Wokeness tatsächlich das Resultat der großen Feminisierung ist, dann war der Ausbruch kollektiver Verwirrung im Jahr 2020 nur ein Vorgeschmack auf das, was noch bevorsteht. Man stelle sich vor, was geschieht, wenn die verbliebenen Männer in den prägenden gesellschaftlichen Berufen in den Ruhestand gehen und die jüngeren, stärker feminisierten Generationen die vollständige Kontrolle übernehmen.

Die Gefahr, die von Wokeness ausgeht, kann je nach Bereich unterschiedlich groß sein. Es ist bedauerlich, dass die geisteswissenschaftlichen Fakultäten inzwischen vollständig feminisiert sind, doch die meisten Menschen bekommen das im Alltag kaum zu spüren. Andere Bereiche sind entscheidender. Man muss kein Journalist sein, um in einem Land zu leben, in dem das, was in der New York Times steht, den öffentlichen Rahmen für das bestimmt, was als Wahrheit gilt. Wenn diese Zeitung zu einem Ort wird, an dem die Meinung der eigenen Gruppe unbequeme Fakten unterdrücken kann – stärker noch als bisher –, betrifft das alle.

Das Feld jedoch, das mir die größte Sorge bereitet, ist das Rechtssystem. Wir alle sind auf seine Funktionsfähigkeit angewiesen, und, um es deutlich zu sagen: Die Herrschaft des Rechts wird nicht bestehen, wenn die juristische Profession mehrheitlich weiblich wird. Rechtsstaatlichkeit bedeutet nicht nur, Regeln niederzuschreiben, sondern ihnen auch dann zu folgen, wenn das Ergebnis emotional schwerfällt oder der eigenen Sympathie für eine Seite widerspricht.

Ein feminisiertes Rechtssystem, so die Argumentation, könnte jenen Sondergerichten ähneln, die im Jahr 2011 unter Präsident Obama im Rahmen des Antidiskriminierungsgesetzes Title IX an Universitäten zur Ahndung sexueller Übergriffe eingerichtet wurden. Diese Verfahren folgten zwar einem schriftlich festgelegten Regelwerk und ließen sich daher formal als Ausdruck der Rechtsstaatlichkeit bezeichnen, doch es fehlten ihnen viele der zentralen Schutzmechanismen, die das eigentliche Rechtssystem garantieren sollte – etwa das Recht, der eigenen Anklägerin gegenüberzutreten, das Recht zu erfahren, welcher konkreten Tat man beschuldigt wird, und das grundlegende Prinzip, dass Schuld auf überprüfbaren Tatsachen beruhen muss, nicht auf nachträglichen Gefühlen einer der beteiligten Personen. Diese Sicherungen wurden, so der Vorwurf, abgeschafft, weil diejenigen, die die Regeln formulierten, mit den Anklägerinnen – meist Frauen – sympathisierten und nicht mit den Beschuldigten – überwiegend Männern.

Diese beiden Rechtsauffassungen prallten besonders deutlich bei den Anhörungen zur Bestätigung von Brett Kavanaugh als Richter am Supreme Court aufeinander. Die "männliche" Position lautete, dass Christine Blasey Ford ohne konkrete Beweise dafür, dass sie und Kavanaugh jemals im selben Raum waren, seine Karriere nicht durch ihre Anschuldigungen zerstören dürfe. Die "weibliche" Haltung dagegen sah in ihrer emotionalen Reaktion selbst eine Form von Glaubwürdigkeit, die der Senatsausschuss respektieren müsse.

Sollte die juristische Profession mehrheitlich weiblich werden, werde sich, so die Befürchtung, die Denkweise solcher Title IX-Tribunale und der Kavanaugh-Anhörungen ausbreiten. Richterinnen würden die Regeln zugunsten bestimmter Gruppen dehnen und gegenüber anderen besonders streng anwenden – etwas, das bereits jetzt in beunruhigendem Maß vorkomme. In den 1970er-Jahren konnte man noch annehmen, dass eine stärkere Beteiligung von Frauen im juristischen Bereich nur geringe Auswirkungen hätte. Diese Annahme, schließt der Text, lasse sich heute nicht mehr aufrechterhalten: Die Veränderungen werden tiefgreifend sein.

Merkwürdigerweise herrscht auf beiden Seiten des politischen Spektrums weitgehend Einigkeit darüber, welche Veränderungen bevorstehen – man streitet sich lediglich darüber, ob sie positiv oder negativ zu bewerten sind. Dahlia Lithwick beginnt ihr Buch Lady Justice: Women, the Law, and the Battle to Save America mit einer Szene aus dem Supreme Court des Jahres 2016, während der mündlichen Verhandlung zu einem texanischen Abtreibungsgesetz. Die drei Richterinnen Ginsburg, Sotomayor und Kagan "ignorierten die festgelegten Redezeiten und fielen ihren männlichen Kollegen lebhaft ins Wort". Lithwick feierte dies als "Ausbruch aufgestauter richterlicher Girl Power", der "Amerika einen Vorgeschmack darauf gab, was echte Geschlechterparität oder etwas, das ihr nahekommt, für künftige Frauen in einflussreichen juristischen Institutionen bedeuten könnte".

Lithwick lobt die Richterinnen für ihre respektlose Haltung gegenüber den formalen Regeln des Rechts, die ihrer Ansicht nach ohnehin aus einer Zeit der Unterdrückung und des weißen Machtanspruchs stammen. "Das amerikanische Rechtssystem war im Kern eine Maschine, geschaffen, um wohlhabende weiße Männer zu privilegieren", schreibt sie. "Aber es ist das einzige, das wir haben, also müssen wir damit arbeiten." Wer das Recht als Relikt eines alten Herrschaftssystems betrachtet, wird es zwangsläufig instrumentell einsetzen. Sollte sich diese Haltung im gesamten Rechtssystem durchsetzen, werden die äußeren Strukturen zwar gleich bleiben – doch in Wahrheit hätte eine stille Revolution stattgefunden.

Die "große Feminisierung" sei ein historisch einmaliges Phänomen. Andere Zivilisationen hätten Frauen zwar das Wahlrecht eingeräumt, ihnen Eigentumsrechte zugestanden oder sogar die Thronfolge erlaubt. Doch noch nie in der Menschheitsgeschichte habe eine Gesellschaft Frauen so viele zentrale Institutionen überlassen – von politischen Parteien über Universitäten bis hin zu den größten Wirtschaftsunternehmen. Selbst dort, wo Frauen nicht an der Spitze stehen, prägen sie zunehmend die Unternehmenskultur, sodass selbst ein männlicher Geschäftsführer innerhalb der Grenzen agiert, die seine Personalchefin vorgibt. Wir gehen ganz selbstverständlich davon aus, dass all diese Institutionen unter diesen völlig neuen Voraussetzungen weiter funktionieren werden. Doch worauf gründet sich diese Annahme eigentlich?

Das Problem liegt nicht darin, dass Frauen weniger talentiert wären als Männer oder dass weibliche Formen des Umgangs objektiv minderwertig seien. Das Problem, so die Argumentation, besteht darin, dass diese Formen des Miteinanders für die Ziele vieler zentraler Institutionen ungeeignet sind. Eine mehrheitlich weibliche Wissenschaft etwa mag bestehen – doch sie wird, wie die bereits heute stark weiblich geprägten Fakultäten zeigen, andere Schwerpunkte setzen als offene Debatte und die unbedingte Suche nach Wahrheit. Und wenn die Wissenschaft die Wahrheit nicht mehr sucht – welchen Sinn hat sie dann? Wenn Journalisten keine eigenwilligen Individualisten mehr sind, die notfalls anecken, welchen Wert hat ihr Beruf dann noch? Und wenn Unternehmen ihren wagemutigen Unternehmergeist verlieren und sich in eine feminisierte, selbstbezogene Bürokratie verwandeln, werden sie dann nicht unweigerlich erstarren?

Falls die große Feminisierung tatsächlich eine Bedrohung für die Zivilisation darstellt, stellt sich die Frage, ob man überhaupt etwas dagegen tun kann. Die Antwort hängt davon ab, wie man ihr Entstehen erklärt. Viele Menschen sehen in ihr ein natürliches Phänomen: Frauen hätten endlich die Chance erhalten, mit Männern zu konkurrieren – und sich schlicht als die Besseren erwiesen. Deshalb, so diese Sichtweise, gibt es heute so viele Frauen in Redaktionen, an der Spitze politischer Parteien und in leitenden Positionen großer Unternehmen.

Der Journalist Ross Douthat beschrieb dieses Denken in einem Gespräch mit Jonathan Keeperman, bekannt unter dem Pseudonym „L0m3z“, einem rechten Verleger, der den Begriff "Longhouse" als Metapher für Feminisierung populär machte. Douthat fragte: "Männer beklagen sich, dass Frauen sie unterdrücken. Ist das sogenannte Longhouse nicht einfach ein langgezogenes männliches Gejammer darüber, dass sie im Wettbewerb nicht gut genug abschneiden? Vielleicht sollten sie sich zusammenreißen und sich endlich den Bedingungen des 21. Jahrhunderts stellen?"

Das ist es, was Feministinnen glauben, doch sie liegen falsch. Feminisierung ist kein organisches Ergebnis davon, dass Frauen Männer übertrumpfen. Sie ist ein künstliches Produkt sozialer Steuerung, und sobald dieser äußere Druck entfällt, würde sie innerhalb einer Generation wieder zusammenbrechen.

Der offensichtlichste "Daumen auf der Waage" ist das Antidiskriminierungsrecht. Es ist illegal, zu wenige Frauen in einem Unternehmen zu beschäftigen. Besonders in höheren Managementebenen kann Unterrepräsentation eine Klage nach sich ziehen. Folglich erhalten Frauen Jobs und Beförderungen, die sie unter normalen Umständen vielleicht nicht bekommen hätten, allein um die gesetzlich geforderte Zahl einzuhalten.

Für Arbeitgeber ist dieses Vorgehen rational, denn die Folgen, es nicht zu tun, können gravierend sein. Texaco, Goldman Sachs, Novartis und Coca-Cola gehören zu den Unternehmen, die wegen Diskriminierungsvorwürfen gegen Frauen in Einstellungs- und Beförderungsverfahren Vergleichszahlungen in Höhe von neunstelligen Beträgen leisten mussten. Kein Manager will derjenige sein, der sein Unternehmen durch eine Diskriminierungsklage 200 Millionen Dollar kostet.

Das Antidiskriminierungsrecht führt faktisch zu einer Feminisierung jedes Arbeitsplatzes. Ein wegweisender Fall von 1991 stellte fest, dass Pin-up-Poster an den Wänden einer Werft eine feindliche Umgebung für Frauen darstellen – und dieser Grundsatz wurde später auf viele Formen männlichen Verhaltens ausgeweitet. Dutzende Unternehmen im Silicon Valley wurden verklagt wegen sogenannter "Frat Boy Culture" oder "toxic Bro Culture", und eine auf solche Fälle spezialisierte Kanzlei wirbt mit Vergleichen zwischen 450.000 und acht Millionen Dollar.

Frauen können ihre Vorgesetzten verklagen, wenn der Arbeitsplatz sich wie ein Studentenverbindungsheim anfühlt – Männer hingegen können nicht klagen, wenn ihr Büro eher wie ein Montessori-Klassenzimmer wirkt. Folgerichtig neigen Arbeitgeber dazu, die Arbeitsumgebung "weicher" zu gestalten. Wenn Frauen also heute in modernen Berufen besser zurechtkommen, liegt das dann wirklich daran, dass sie Männer übertrumpfen? Oder liegt es daran, dass die Regeln so geändert wurden, dass sie begünstigt werden?

Aus der Entwicklung der Feminisierung über die Zeit lassen sich viele Rückschlüsse ziehen. Sobald Institutionen eine 50-50-Aufteilung erreichen, tendieren sie dazu, diese Parität zu überschreiten und zunehmend weiblich zu werden. Seit 2016 ist der Frauenanteil an juristischen Fakultäten jedes Jahr gestiegen; 2024 lag er bei 56 Prozent. Psychologie, einst ein überwiegend männliches Fach, ist heute stark weiblich geprägt: 75 Prozent aller Doktortitel in Psychologie gehen an Frauen. Es scheint einen Kipppunkt zu geben, ab dem Institutionen immer stärker feminisiert werden.

Das sieht nicht nach einer Überlegenheit von Frauen gegenüber Männern aus. Es sieht danach aus, dass Frauen Männer durch die Einführung weiblicher Normen aus ehemals männlich dominierten Bereichen verdrängen. Welcher Mann möchte schon in einem Umfeld arbeiten, in dem seine Eigenschaften nicht geschätzt werden? Welcher selbstbewusste Doktorand würde eine akademische Laufbahn einschlagen, wenn seine Kommilitonen ihn ausgrenzen, sobald er seine Meinungsverschiedenheiten offen ausspricht oder eine kontroverse Position vertritt?

Im September hielt ich auf der National Conservatism Conference eine Rede entlang der Argumentation des Essays. Ich war unsicher, die These der großen Feminisierung in einem so öffentlichen Rahmen zu präsentieren. Selbst in konservativen Kreisen gilt es noch immer als heikel zu behaupten, dass es in bestimmten Bereichen zu viele Frauen gebe oder dass Frauen in großer Zahl Institutionen so verändern könnten, dass diese nicht mehr richtig funktionieren. Ich achtete deshalb darauf, meine Argumentation so neutral wie möglich zu formulieren. Zu meiner Überraschung war die Resonanz überwältigend: Innerhalb weniger Wochen hatte das Video der Rede auf YouTube über 100.000 Aufrufe und wurde zu einer der meistgesehenen Reden in der Geschichte der Konferenz.

Es ist gut, dass Menschen für das Argument empfänglich sind, denn das Zeitfenster, um auf die große Feminisierung zu reagieren, schließt sich. Es gibt Frühindikatoren und Spätindikatoren für Feminisierung, und wir befinden uns derzeit in einer Zwischenphase: Die juristischen Fakultäten sind mehrheitlich weiblich, während die Bundesrichter nach wie vor überwiegend männlich sind. In einigen Jahrzehnten wird der Geschlechterwechsel seinen natürlichen Abschluss erreicht haben. Viele glauben, Wokeness sei vorbei, ausgelöscht durch den "Vibe Shift", also den politischen und kulturellen Stimmungswandel. Doch wenn Wokeness das Ergebnis demografischer Feminisierung ist, wird sie so lange bestehen bleiben, wie sich die demografischen Verhältnisse nicht ändern.

Als Frau selbst bin ich dankbar für die Möglichkeiten, die ich hatte, eine Karriere im Schreiben und Redigieren zu verfolgen. Glücklicherweise bedeutet die Lösung des Feminisierungsproblems nicht, Frauen Türen zu verschließen. Es geht schlicht darum, faire Regeln wiederherzustellen. Derzeit existiert ein nominal an Leistung orientiertem System, in dem es für Frauen aber praktisch unmöglich ist zu scheitern. Machen wir das Einstellungsverfahren wirklich leistungsbezogen – nicht nur auf dem Papier –, und wir werden sehen, wie sich die Dinge entwickeln. Erlauben wir wieder eine männlich geprägte Arbeitskultur. Entfernen wir das Vetorecht der Personalabteilung. Viele werden überrascht sein, wie stark unsere aktuelle Feminisierung auf institutionelle Veränderungen zurückgeht, wie etwa die Einführung von Personalrichtlinien, die durch rechtliche Anpassungen ermöglicht wurden und die sich durch neue Gesetze auch wieder ändern ließen.

Denn schließlich bin ich nicht nur Frau. Ich habe viele kontroverse Meinungen und werde es schwer haben, mich zu entfalten, wenn die Gesellschaft konfliktscheu und konsensorientierter wird. Ich bin Mutter von Söhnen, die ihr Potenzial niemals voll ausschöpfen werden, wenn sie in einer feminisierten Welt aufwachsen müssen. Ich – wir alle – sind auf Institutionen angewiesen wie das Rechtssystem, die wissenschaftliche Forschung und die demokratische Politik, die das amerikanische Lebensmodell stützen; und wir werden alle leiden, wenn diese Institutionen nicht mehr die Aufgaben erfüllen, für die sie geschaffen wurden.




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